Gefängnispraxis kraft Bundesrecht
Gilt heute, dass in Deutschland keine spektakuläre Straftat geschehen kann, ohne dass sich eine Meute von Fachleuten für Fragen der sogenannten inneren Sicherheit um eine Erhöhung des Strafrahmens, eine Schwächung strafprozessualer Schutzrechte oder sonstige Härten im Kampf gegen das Böse bemüht, wehte durch die Diskurse der 1970-er Jahre kurz ein anderer Zeitgeist.
So hatte das Bundesverfassungsgericht 1972 entschieden, dass auch die Grundrechte von Strafgegangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden dürfen. Bis dahin waren die Regelungen des Strafvollzugs durch das sogenannte besondere Gewaltverhältnis begründet worden. Im konkreten Fall war es darum gegangen, dass dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Celle die Rechtsgrundlage dafür verloren ging, die Post der Inhaftierten zu kontrollieren.
Entsprechend wurde 1976 über das Strafvollzugsgesetz beraten, das zum 1. Januar 1977 in Kraft trat und dessen Gegenstand erst seit 2006 wieder wettbewerbsföderal den Ländern überlassen wurde.
Als der Staatsgerichtshof des Landes Hessen sich im Beschluss vom 3. September 1980 mit der Beschwerde eines Häftlings befasste, der sich durch eine zögerliche, seine Rechte zunichtemachende Praxis der Anstaltsleitung in seinen Rechten aus Artikel 1 Hessische Landesverfassung verletzt sah ("Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, ohne Unterschied des Geschlechts, der Rasse, der Herkunft, der religiösen und der politischen Überzeugung."), konnte das Gericht unter anderem darauf verweisen, dass das Strafvollzugsgesetz Bundesrecht sei – und erklärte sich für unzuständig. Heute wäre dies wohl wieder eine rein hessische (Verfassungs-) Sache.
Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Beschluss vom 03.09.1980, Az. P.St. 902.
Abstimmung über die Landesverfassung: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31739 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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