Rechtswidrige Sozialisierung?
Ins Englische übersetzt müsste die folgende hessische Verfassungsnorm wie der Mittelfinger wirken, den das Volk des deutschen Binnenlandes den britischen Geschäftsleuten entgegenstreckt, sollten diese ihre Geschäfte aus Brexitanien nach Frankfurt am Main und Umland verlagern wollen.
In Artikel 41 der Hessischen Verfassung heißt es u.a.: "(1) Mit Inkrafttreten dieser Verfassung werden
1. in Gemeineigentum überführt: der Bergbau (Kohlen, Kali, Erze), die Betriebe der Eisen- und Stahlerzeugung, die Betriebe der Energiewirtschaft und das an Schienen oder Oberleitungen gebundene Verkehrswesen;
2. vom Staat beaufsichtigt oder verwaltet: die Großbanken und Versicherungsunternehmen und diejenigen in Ziffer 1 genannten Betriebe, deren Sitz nicht in Hessen liegt. […]".
Auf Antrag der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag befand der Staatsgerichtshof des Landes Hessen mit Urteil vom 20. Juli 1951 darüber, ob diese Vorschrift rechtmäßig in die Landesverfassung gekommen war.
Das Urteil dokumentiert die wilde Vorgeschichte der Norm, über die das hessische Volk – nach Anweisung der amerikanischen Besatzungsmacht – gesondert hatte abstimmen müssen. Im Ergebnis entschied der Staatsgerichtshof, dass der hessische Sozialisations-Artikel "auf einem vorkonstitutionell geregelten Verfahren [beruht], das rechtswirksam durchgeführt worden ist. Demgemäß steht seine Rechtsgültigkeit außer Zweifel."
Etwas merkwürdig, dass das hessische Volk am 28. Oktober 2018 darüber abstimmt, die antiquierte Vorschrift zur Todesstrafe aus der hessischen Landesverfassung zu streichen, die von parteipolitischer Seite nie ernsthaft operationalisierte Vorgabe, das Großkapital zu vergesellschaften, aber unberührt und ungerührt Verfassungstext bleibt.
Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 20.07.1951, Az. P.St. 76.
Abstimmung über die Landesverfassung: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31739 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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