Doch kein Schulgeld für Langzeitstudenten
Die hessische Verfassungspflicht, Schulen und Universitäten gebührenfrei vorzuhalten, wurde in Westdeutschland oft als vorbildlich diskutiert. Artikel 59 Absatz 1 Satz 1 Hessische Verfassung: "In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich."
Für Kinder und Jugendliche der allgemeinen Schulen war und ist diese Vorschrift durch einen natürlichen Umstand limitiert: Sie wachsen meist aus dem Alter heraus, in dem ein Schulbesuch angebracht ist. Später an ihrem Unverstand zu verzweifeln, ist allgemeines Lebensrisiko.
Weniger haltbar, als das verfassunggebende hessische Volk 1946 vermutlich hatte absehen können, blieb aber die Limitation der bereits vermittelten höheren geistigen Reife, die bis dahin nur eine mit humanistischer Bildung durchtrainierte 5-Prozent-Minderheit zum Besuch einer Hochschule berechtigt hatte: Seit den 1960-er Jahren stieg die Zahl der Studenten dank größerer Abiturientenkohorten stark an.
Mit Urteil vom 1. Dezember 1976 stellte der Staatsgerichtshof des Landes Hessen fest, dass die Hessische Verfassung jedenfalls solchen Studenten keine Unterrichtsgeldfreiheit gewährleiste, die den Abschluss ihres Studiums "unangemessen hinauszögern" bzw. ohne hinreichenden Grund ein Zweitstudium in Angriff nehmen.
Grund: Als "Teilhaberecht" stehe dieses soziale Grundrecht der Hessischen Verfassung unter dem "Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann".
Die Ablehnung von bloßer Verfassungsprogrammatik klang hier noch nicht einmal mehr markig nach. Statt unerwünschte Studenten über die Noten auszusondern, wurde die Frage monetarisiert betrachtet.
Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 01.12.1976, Az. P.St. 812.
Abstimmung über die Landesverfassung: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31739 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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