Auf den letzten Metern der Ampel-Legislatur ist noch eine Richterstelle am BVerfG nachzubesetzen. Das soll auch noch was werden, heißt es in Berlin. Vieles deutet auf eine Richterin mit bayerischen Wurzeln hin.
Traditionell kann die Union aus dem Vollen schöpfen, wenn sie Kandidatinnen und Kandidaten für die Bundesgerichte sucht, nicht zuletzt für das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Zu dem Unionskreis zählen eine ganze Reihe von Top-Juristinnen und -Juristen aus Politik, Wissenschaft und Justiz. CDU/CSU brauchen für Ihre Kandidaten – wie auch die Vorschläge anderer Fraktionen – eine breite Zustimmung im Bundestag bzw. Bundesrat: Gewählt werden die Richterinnen und Richter durch Zwei-Drittel-Mehrheit.
Nun findet die aktuelle Neubesetzung unter besonderen Vorzeichen statt, sozusagen auf den letzten Metern der Ampel-Legislatur. Die Amtszeit von Bundesverfassungsrichter Josef Christ endet mit seinem Geburtstag am 24. November 2024. Er hat dann vor Ende der regulären 12-jährigen Amtszeit die Karlsruher Altersgrenze von 68 Jahren (§ 4 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz) erreicht. 2017 war er auf CDU/CSU-Vorschlag ans BVerfG gekommen, zuvor war er Richter am Bundesverwaltungsgericht gewesen.
Schon wieder jemand vom Bundesverwaltungsgericht?
Einen, den die CDU jederzeit gut ins Rennen schicken könnte, wäre der Rechtspolitiker Günter Krings, Volljurist, Lehrbeauftragter und Honorarprofessur an der Uni Köln, der seit 2002 im Bundestag sitzt. Allerdings ist der freiwerdende Posten von Richter Christ eine Richterstelle und wird auch mit einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin aus der Justiz zu besetzen sein. Drei Richter in jedem der beiden BVerfG-Senate müssen von den obersten Bundesgerichten stammen (§ 2 Abs. 3 BVerfGG). Dieses Mal dürfte Krings aus dem Spiel sein.
Ein weiterer Name, den man immer mal wieder hört, ist der des Richters am Bundesverwaltungsgericht Robert Seegmüller, ebenfalls CDU-Mitglied. Der 55-Jährige war von 2014 bis 2024 auch Richter und Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs Berlin. Vom Bundesverwaltungsgericht rekrutierten die unionsgeführten Länder im Bundesrat zuletzt Ende 2023 den Richter Holger Wöckel als neuen Verfassungsrichter. Jetzt also gleich wieder jemand vom Bundesverwaltungsgericht?
Das wirft auch gleich eine Folgefrage auf: Mit Wöckel war die Geschlechterparität am Bundesverfassungsgericht insgesamt verloren gegangen. Mit einer Frau auf der Stelle im Ersten Senat, die Christ freimacht, wäre sie in beiden Senaten wiederhergestellt – und das könnte bei der kommenden Neubesetzung ebenfalls eine Rolle spielen.
Eine BGH-Richterin für den Ersten Senat?
Vieles deutet daraufhin, dass der Vorschlag der CDU auf die Richterin am Bundesgerichtshof (BGH) Angelika Allgayer hinausläuft. Allgayer, geboren in Würzburg, hat eine Vorzeigekarriere in der Justiz hingelegt: juristische Ausbildung in Bayern, dort Staatsanwältin und Richterin, später beim Generalbundesanwalt. Seit 2021 ist sie Richterin am Bundesgerichtshof, zunächst im XI. Zivilsenat, der ist zuständig für das Bank- und Börsenrecht, und zuletzt im 1. Strafsenat.
Die Union hat Allgayer immer wieder als Expertin für Anhörungen im Rechtsausschuss des Bundestags oder bei Veranstaltungen eingeladen. Dort referierte sie zur Digitalisierung der Justiz (ihre Standpunkte dort unter anderem: digitaler Rechtsverkehr zu begrüßen, digitale Teilnahme an Revisionsverhandlungen sehr bedenklich), sie sah das Urteil des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Wiederaufnahme zuungunsten eines Freigesprochenen im Strafprozess kritisch und sprach sich gegen die Streichung der Strafbarkeit des "Schwarzfahrens" und für bezahlbare Fahrpreise sowie gegen "symbolhafte Identitätspolitik" im Strafrecht aus.
In die Zuständigkeit von Christ beziehungsweise seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin fallen im Ersten Senat des BVerfG das Religionsrecht, Schulrecht, Immobilien- und Gesellschaftsrecht. Und: Bank- und Börsenrecht.
Wahl auf den letzten Metern der Ampel-Legislatur?
CDU-Chef Friedrich Merz hatte bereits im Bundestagsplenum angekündigt, dass er noch zeitnah einen Kandidaten oder eine Kandidatin für das BVerfG vorschlagen werde. "Ich hoffe, dass das Ihre Zustimmung findet", so Merz am vergangenen Mittwoch.
Vorgestellt wurde der Kandidat oder die Kandidatin nach LTO-Informationen bei den übrigen Fraktionen noch nicht. Dort hört man aber, man sei offen für eine Entscheidung über eine konsensfähige Personalie in den nächsten Wochen. Es könnte also eines der Projekte werden, die der Bundestag in den kommenden Wochen noch erfolgreich abschließen kann. Dafür müsste zunächst auch noch der Wahlausschuss (§ 6 BVerfGG) zusammenkommen, um dann im nächsten Schritt dem Plenum einen Vorschlag zu machen. Die nächsten Sitzungstermine für das Plenum sind — Stand jetzt – am 4. und 18. Dezember, sowie am 15. und 29. Januar.
Richterstelle neu zu besetzen: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55889 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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