Nationalsozialismus ist keine Meinung
Mit der Frage, wie es um den Rechtsschutz in Entnazifizierungsverfahren bestellt sei, insbesondere ob die unter amerikanischer Aufsicht entstandene Hessische Verfassung hierzu etwas hergebe, war der Staatsgerichtshof des Landes Hessen wiederholt angerufen worden.
Diesen Affären sah sich das Gericht jedoch meist weitgehend entzogen: Das Gesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, das die Einstufung von NS-Verstrickten in fünf Kategorien vorsah – von I. Hauptschuldige bis V. Entlastete – und entsprechend sanktionierte, war zwar am 5. März 1946 von den Ministerpräsidenten der Länder der US-Besatzungszone unterzeichnet und dann jeweils verkündet worden. Es galt damit aber als Recht, das abseits der Landesverfassung kraft eigener Ermächtigung durch die Besatzungsmacht entstanden war.
Soweit eigene deutsche bzw. hessische Staatsgewalt ehemals nationalsozialistisch Verstrickte in ihren Freiheiten beschränkte, kam die Verfassung dann aber doch ins Spiel.
So begehrte ein Rechtsanwalt und Notar, der bereits seit 1922 Mitglied der NSDAP gewesen war und ihr auch nach Aufhebung ihres Verbots 1929 wieder angehörte, und der dann seit 1930 die juristische Schulung seiner SA-Standarte betreut und u.a. als Ehren-SA-Sturmführer reüssiert hatte, vom Staatsgerichtshof die Feststellung, die vom Hessischen Minister der Justiz verweigerte Wiederzulassung zur Anwaltschaft bzw. zum Notariat verletze ihn u.a. in seinem Recht auf Gleichheit (Artikel 1) und Überzeugungsfreiheit (Artikel 9 der Hessischen Verfassung).
Der Staatsgerichtshof entschied gegen ihn. U.a. mit dem Argument, sein Ausschluss als NS-Mitläufer beruhe nicht auf seiner schützenswerten Überzeugung, sondern auf einer politischen Handlungsweise.
Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Beschluss vom 15.02.1952, Az. P.St. 72.
Abstimmung über die Landesverfassung: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31739 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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