1966 – Landesverrat nach der Spiegel-Affäre und die Mosaiktheorie
Die "Spiegel"-Affäre hatte die Justiz und ihre Kritiker 1962 daran erinnert, dass sich auch Journalisten wegen Landesverrats verdächtig machten, wenn sie dem Feind im Osten die Arbeit dadurch erleichterten, dass sie öffentlich bekannte Details zu diskretionsbedürftigen Staatsangelegenheiten nur neu zusammenstellten und publizierten.
Walter Stree, Strafrechtsprofessor in Münster, erinnerte an die seiner Meinung nach antiquierte Rechtsprechung des Reichsgerichts, das 1893 "die Zusammentragung von Einzelheiten über die Beschaffenheit der deutschen Küste von Emden bis Kiel als Gesamtbild [als] einen geheimhaltungsbedürftigen Gegenstand" deklariert hatte. Gehandelt wird diese Konstruktion als "Mosaiktheorie" – nicht das Detail ist ein Geheimnis, sondern das aus der Verarbeitung der Daten entstehende Gesamtbild.
Das fand Professor Stree überholt: Damals hochmoderne Weltraum-Spionagegeräte wie der US-amerikanische Satellit „Samos“ machten derlei Rechtsprechung obsolet.
Eine heitere Zeit der Staatsschutzdiskussion muss das gewesen sein, abgedruckt in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, 1966, S. 663-694. Heute braucht das Mosaik Vertraulichkeit, das Mosaikgewimmel und erst recht den Kit zwischen den Steinchen – die Metadaten.
Bild: Freies Werk, Quelle
Martin Rath, Für das Recht in 2016: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18008 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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