1916 – Die Weltgeschichte als Weltgericht
Im Kriegsjahr 1916 wird in Deutschland zwar das Mehl knapp, an den Sieg glaubt man aber nach wie vor gern. Von den Juristenkollegen, mit denen man sich wenige Jahre zuvor noch auf Kongressen über die Erfahrungen des brandneuen Jugendstrafrechts oder das Verbot des Mädchenhandels unterhalten hatte, fühlt man sich zwar verraten.
Aber die Wehleidigkeit der Nachkriegsjahre kündigt sich erst an. In der "Deutschen Juristen-Zeitung" macht sich der Wirkliche Geheime Rat Dr. Richard Förtsch, Senatspräsident beim Reichsgericht a.D. Gedanken über die "Weltgeschichte als Weltgericht".
Angesichts der Lückenhaftigkeit und Schwäche des Völkerrechts bleibe nur die Geschichte als Instanz, vor der Staaten Rechenschaft ablegen müssten. Als betagter Mann, Förtsch wurde 1837 geboren und starb 1916, und als Experte für das rheinische, also das französische Recht in Deutschland, konnte der Reichsgerichtsrat a.D. auf überschäumenden Kriegspatriotismus verzichten. Sein lesenswertes Stück über die Metapher vom Weltgericht ist nachzulesen in der Deutschen Juristen-Zeitung 1916, Sp. 90 (PDF).
Eine bekanntere Anklageschrift zum Weltgericht lieferte bald darauf der Wiener Journalismus- und Justizkritiker Karl Kraus unter dem Titel "Die letzten Tage der Menschheit". Sie gehört noch viel mehr gelesen.
Bild: gemeinfreies Werk
Martin Rath, Für das Recht in 2016: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18008 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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