1986: Ein Ministerium für Frauen
In der Geschichte der Frauenrechtsbewegung findet sich selten etwas wirklich Neues. Über Prostitution schreibt Alice Schwarzer beispielsweise kaum anderes als ihre Vorgängerinnen zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. Bildungsbenachteiligte Knaben haben keine Konjunktur, weil seit 150 Jahren über die nie schwindende Chancenlosigkeit von Mädchen gesprochen wird. Lebenslustige evangelische Pastorinnen von lesbischer Konfession ereifern sich seit Jahrzehnten über die Männerwirtschaft der Papisten.
Am 6. Juni 1986 aber feierte die westdeutsche Frauenbewegung einen historisch einmaligen Sieg: Die bisher als Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit firmierende Pädagogikprofessorin Rita Süssmuth amtierte fürderhin als Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit.
Deutschland hat seither eine Bundesministerin, die auch für Frauen zuständig ist – und niemand lacht über die merkwürdige Firmierung einer Behörde, die für rund die Hälfte der Bevölkerung zuständig sein will und die andere Hälfte als Bringschuldige ihrer rechtspolitischen Forderungen betrachtet.
Möglicherweise dem heiligen Ernst der damals erschütternd erfolgreichen Frauenbewegung etwas entgegensetzen wollte Günther Kaiser, der in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1986 ein ewig wiederkehrendes Thema der Kriminologie aufwärmte: "Das Bild der Frau im kriminologischen Schrifttum". Die Damenwelt kommt dort ja traditionell eher wenig vor.
Eine erhöhte Straffälligkeit der Frau konnte Kaiser immerhin schon feststellen. Am Gender Mainstreaming musste aber noch gearbeitet werden. Dafür, dass mit dem Wort "Verbrecher" nicht allein Männer gemeint sein dürften, musste Kaiser noch argumentieren. Gut, dass wir heute stets auch die Frau mitdenken, wenn wir von Verbrecher*innen oder VerbrecherInnen reden.
Bild: gemeinfreies Werk
Martin Rath, Für das Recht in 2016: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18008 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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