Sollte man kennen: Sechs wich­tige EGMR-Ent­schei­dungen 2021

von Dr. Franziska Kring

31.12.2021

3/6: Subsidiärer Schutz: Staaten dürfen Familiennachzug nur zwei Jahre pauschal aussetzen

Viele Geflüchtete kommen zunächst allein in ein Land, um dann später ihre Familie nachzuholen. Bei den subsidiär Schutzberechtigten wurde der Familiennachzug insbesondere im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2017 kontrovers diskutiert. Seit März 2016 war diese Möglichkeit ausgesetzt, im Sommer 2018 wurde eine Kontingentlösung eingeführt. Seither dürfen monatlich bis zu 1.000 Nachzugsvisa erteilt werden.

In Dänemark gab es seit 2015 eine generelle und ausnahmslose Wartefrist von drei Jahren. Diese pauschale Frist verstößt gegen das Recht auf Privat- und Familienleben, urteilte der EGMR. Geklagt hatte ein syrischer Ehemann. Dieser hatte im Sommer 2015 einen dänischen Aufenthaltstitel erhalten, der mit dem subsidiären Schutz vergleichbar ist. Seine Frau erhielt erst drei Jahre später ein Nachzugsvisum.

Die große Kammer des EGMR entschied, dass Staaten den Familienauszug nur für zwei Jahre aussetzen dürfen, danach müsste jeder Einzelfall geprüft werden. Dabei hob der Straßburger Gerichtshof hervor, dass Staaten "das wohletablierte Recht besitzen, die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern zu kontrollieren". Dieses sei gegen die Interessen der Schutzberechtigten abzuwägen. Die deutsche Kontingentlösung hat auch nach der Entscheidung des EGMR Bestand. Allerdings hat die Ampel im Koalitionsvertrag angekündigt, die Familienzusammenführung der subsidiär Geschützten mit den Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention "gleichzusetzen" – deshalb sind hier Änderungen zu erwarten.

Zitiervorschlag

Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 31.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47067 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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