Zu viel guten Glauben an ein funktionierendes System säen
Das Märchen vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird, ist so stark, dass sie in der Variante vom armen Millionär, der es zum Milliardär und Präsidenten bringt, sogar hierzulande ein gläubiges Kommentariat hinter sich hat. Diese Variante ist ähnlich populär: Clarence E. Gideon (1910–1972) wird unter der Anklage des Einbruchdiebstahls vor Gericht gestellt, hat aber kein Geld, einen Verteidiger zu stellen. Trotz seiner Aussage vor Gericht "The United States Supreme Court says I am entiteled to be represented by counsel" muss er sich selbst verteidigen und wird zu fünf Jahren Haft verurteilt.
In Haft schreibt Gideon seine Eingabe an den SCOTUS mit Bleistift auf Gefängnispapier und wird erhört: Auf Vorschlag von Richter Hugo Black (wir haben ihn schon kennengelernt) entschied der Supreme Court, dass dem zu armen Angeklagten ein Verteidiger zu stellen sei.
US-Senator Patrick Leahy (der Nebendarsteller in Batman-Filmen) äußerte, dass Angeklagte gleichwohl viel zu oft mit betrunkenen, schlafenden, kurz vor dem Kammerausschluss stehenden Verteidigern zu tun hätten. Die Statistik spricht für sich: Zahlende Kundschaft hat deutlich höhere Chancen auf mildere oder ausbleibende Bestrafung.
Als Teil der "Miranda"-Formel, des Sprüchleins bei der Verhaftung, stärkt die Phrase vom Anwalt, der bei fehlendem Geld gestellt werde, aber ungemein den Glauben ins System.
Gideon v. Wainwright, 372 U.S. 335 (1963)
Martin Rath, Kritische Urteile des US-Bundesgerichts: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21200 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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