Kritische Urteile des US-Bundesgerichts: Ein­la­dung, über den Sup­reme Court zu schimpfen

von Martin Rath

20.11.2016

(c) gemeinfrei

Zwangssterilisation & der greise Richter-Titan

Carrie Buck (1906–1983), eine Frau von 18 Jahren, wird am 23. Januar 1924 in die "Virginia State Colony for Epileptics and Feeble-Minded" eingewiesen – eine Irrenanstalt jener Jahre, ganz wie aus dem Horror-Bilderbuch. Zwei Monate später bringt sie ein Kind zur Welt, das unverzüglich in eine Pflegefamilie überführt wird. Die Schwangerschaft war, nebenbei, Ergebnis einer Vergewaltigung durch den Neffen eben jener Pflegeeltern.

Ein Mediziner, zuvor sehr engagiert beim Zustandekommen des Erbgesundheitsgesetzes von Virginia, attestiert der jungen Frau, die zwar intellektuell nicht sehr leistungsstark gewesen sein soll, aber doch die Schule geschafft hatte und regelmäßige Zeitungsleserin war, sie sei schwachsinnig und ihr Erbgut eine Gefahr für die Gesellschaft. Die Anstalt strebt ihre Zwangssterilisation an.

Und erhält mit Urteil vom 2. Mai 1927 Recht. Der U.S. Supreme Court entscheidet nach Beschluss-Vorschlag von Oliver Wendell Holmes jr. (1841–1935), dem meistzitierten und hoch angesehenen Richter seiner Epoche (8:1). Der 86-Jährige, Veteran des Bürgerkriegs von 1861–65 und selbst ein Freund der vor allem in protestantisch dominierten Ländern verfolgten Erbgesundheitsfantasien, gibt der zwangssterilisierten Frau mit Blick auf ihre Mutter und Tochter auf den Weg: "Drei Generationen von Schwachsinnigen sind genug."

Buck v. Bell 274 U.S. 200 (1927)

Zitiervorschlag

Martin Rath, Kritische Urteile des US-Bundesgerichts: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21200 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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