Was macht den deutschen Staat aus? Tägliche Vewaltungsakte, Millionen mehr oder minder korrekt ausgezahlter Renten- und Sozialhilfeansprüche, die etablierten Parteien limitieren ihr innerstaatliches Machtspiel durch ein recht zähes Geflecht gemeinsamer Werte und ausgleichsfähiger Interessen, ein kaum minder zähes Geflecht bindet ihn europa- und völkerrechtlich.
Als im Sommer 2015 die Bundesanwaltschaft gegen die Redakteure des Online-Magazins "Netzpolitik" wegen des Verdachts des "publizistischen Landesverrats" zu ermitteln begann, wirkte das mit Blick auf den deutschen Staat in seiner ganzen Pracht und Ordnungspotenz ein bisschen surreal.
Mit seiner Regensburger Dissertation "'Staatsschutzstrafrecht' in Argentien und Deutschland" nimmt sich Andrés Falcone der Rechtsordnung eines Staates an, der zuletzt zwischen 1976 und 1983 unter dem Regime einer Militärregierung stand, die rund 30.000 Menschen ermorden ließ, Kinder ihren politisch inkorrekten Eltern entzog und erst nach einem Krieg gegen das Vereinigte Königreich ihren internationalen Rückhalt verlor.
Entsprechend größer ist das Interesse an Fragen des Staatsschutzstrafrechts in Argentinien. Nicht zuletzt ist Andrés Falcone daran gelegen, der traditionell in europäischen, gelegentlich auch der deutschen politischen Justiz vorzufindenden Privilegierung sogenannter politischer Gesinnungstäter ein dogmatisches Ende zu bereiten.
Nach 1983 hatte der argentinische Staat viel damit zu tun, die mörderischen Offiziere nicht straflos zu lassen. Statt auf inländisches Recht allein, musste dieses Anliegen auf völkerrechtliche Argumente gestützt werden.
Hierzulande und heutzutage haben Delikte wie Hoch- und Landesverrat etwas von juristischer Science-Fiction. Erst in der rechtsvergleichenden Perspektive erfährt man, was ihre Axiome und Tatbestände in einer Rechtswirklichkeit, die ihrer bedarf, konkret bewirken.
Martin Rath, Sieben spannende Jura-Dissertationen: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19379 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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