Strafbefehl, Einspruch, Hauptverhandlung: Soweit nichts Ungewöhnliches. Wenn der Angeklagte aber gar nicht Angeklagter sein will und kein "Mandat des Staates" hat, wird's schwierig. Das AG Mönchengladbach-Rheydt löste diesen Fall pragmatisch.
"Ich bin selbst nicht der Angeklagte. Aber ich bringe Ihnen den Angeklagten." Mit diesen beinahe salbungsvollen Worten begann eine Verhandlung vor dem Amtsgericht (AG) Mönchengladbach-Rheydt, die merkwürdiger nicht anmuten könnte.
Es ging um einen Strafbefehl, gegen den der Betroffene innerhalb der gesetzlichen zweiwöchigen Frist Einspruch eingelegt hatte. Es kam damit zu besagter Hauptverhandlung. Dabei gilt wie immer: Wer ohne triftigen Grund zur Hauptverhandlung nicht persönlich erscheint, riskiert, dass sein Einspruch vom Gericht verworfen wird. So war es auch in diesem Fall – obwohl der Angeklagte jedenfalls körperlich anwesend war.
Nach den §§ 412 S. 1, 329 Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung (StPO) wird ein Einspruch gegen einen Strafbefehl verworfen, wenn der Angeklagte oder sein Verteidiger nicht zur Hauptverhandlung erscheinen und das Fernbleiben nicht ausreichend entschuldigt wird. Genau einen solchen Fall sah das Gericht hier als gegeben an (Urt. v. 17.09.2023, Az. 21 Cs-130 Js 322/24-358/24).
"Die Person gehört nicht mir. Sie gehört dem Staat."
Das Kuriose an diesem Fall: Der Angeklagte, der sich mit einem Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung konfrontiert sah, war zumindest körperlich im Gerichtssaal. Als der Richter ihn aufforderte, auf der Anklagebank Platz zu nehmen, reagierte er jedoch nicht wie erwartet. Stattdessen erklärte er, während er mitten im Saal stand, er sei nicht der Angeklagte. Er sei lediglich gekommen, um "den Angeklagten" zu überbringen. Um seine Aussage zu bekräftigen, legte er die Geburtsurkunde des Angeklagten – also seine eigene – vor.
Laut Urteil war das nicht das einzige Merkwürdige, das sich während der Hauptverhandlung zutrug. So habe der Angeklagte beharrlich weiter ausgeführt: "Der Angeklagte ist anwesend – er ist diese Urkunde. Die Person ist die Geburtsurkunde. Wer für diese Person spricht, entscheidet der Staat. Ich bin heute hier als Angehöriger der Allgemeinheit, um den Angeklagten zu vertreten. Die Person gehört mir nicht. Sie gehört dem Staat."
Wie aus dem Urteil zu lesen ist, gab sich der Richter größte Mühe, diesem Schauspiel juristisch gerecht zu werden. Er erklärte dem Mann demnach mehrfach, dass der Einspruch gegen den Strafbefehl nur weiterverhandelt werden kann, wenn er sich als Angeklagter zu erkennen gibt. Doch der Mann habe auf seiner skurrilen Position beharrt: Ohne ein "Mandat des Staates" könne er nicht im Namen des Angeklagten sprechen, da "die Person" schließlich dem Staat gehöre.
Körperliche Anwesenheit allein reicht nicht
So kam es zu einer mindestens ungewöhnlichen Konstellation: Der Angeklagte war zwar physisch anwesend, doch er weigerte sich, als die angeklagte Person aufzutreten. Damit bestritt er aus Sicht des Gerichts nachhaltig seine Identität als Angeklagter. Auch die Mitwirkung an der Verhandlung habe er damit beharrlich verweigert, so das Gericht. Diese Situation sei einem Nichterscheinen gleichzustellen, stellte es weiter fest. Ergebnis: Einspruch nach §§ 412 S. 1, 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen.
Das Gericht stellt in seiner Entscheidung deutlich klar, dass es nicht ausreiche, dass ein Angeklagter zwecks Einspruchs lediglich körperlich anwesend ist. Er müsse darüber hinaus auch bereit sein, die Verhandlung als Angeklagter fortzuführen. Andernfalls würde das Verfahren blockiert und die StPO unterlaufen.
Laut der Entscheidung war dem Gericht bekannt, dass der Mann dem "Reichsbürger"-Spektrum zuzuordnen sei. Daraus und aus seinem Verhalten schloss es, dass der Angeklagte die Hauptverhandlung bewusst zu sabotieren und für die Darstellung seiner Weltanschauung zu nutzen versucht habe – ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, so das Gericht. Da der Mann trotz mehrfacher Aufforderung des Richters nicht bereit gewesen sei, seine Rolle als Angeklagter anzunehmen und aktiv an der Verhandlung mitzuwirken, habe er damit sein Recht auf die Durchführung der Hauptverhandlung verwirkt.
"Reichsbürger"-Theater vorm Amtsgericht: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55601 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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