Als sich Gottlieb Daimler im Jahr 1882 daran setzte, einen neuen Verbrennungsmotor zu entwickeln, war er nach einem Jahr fertig und konnte schon 1883 seinen revolutionären Viertaktmotor zum Patent anmelden. Heutige Automobilkonstrukteure benötigen vielköpfige Teams und erheblich längere Entwicklungszeiten, um wesentlich kleinere Neuentwicklungen patentreif zu bekommen.
Die Beobachtung, dass die Zeit der großen Konstruktionsleistungen vorbei ist und nur am Bestehenden herumgeschraubt wird, lässt vielleicht auch auf die Rechtswissenschaften übertragen. Das Bundesverfassungsgericht soll 1983 ein "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" erfunden haben? Nun, eigentlich hatten es doch schon die Daimler-Zeitgenossen Samuel Warren und Louis Brandeis im Jahr 1890 als "The Right to Privacy" konstruiert. Kommt es vielleicht nur darauf an, zeitgemäßen Normen mit zeitgemäßen Einflussmitteln zur Geltung zu verhelfen?
Der längst überfällige Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz, dem zwischen den 1950er und 1970er Jahren mühsam die Gleichberechtigung der Geschlechter im bürgerlichen Recht folgte, verdankt seine Aufnahme ins Grundgesetz vor allem einer Protestkampagne der Rechtsanwältin Elisabeth Selbert (1896-1986), die als Mitglied im männlich dominierten Parlamentarischen Rat ein altes Mittel wiederentdeckte, Einfluss zu nehmen– eine Protestkampagne der betroffenen Bürgerinnen.
Bei der Wahl der ersten Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts wurde Selbert von ihrer Partei, der SPD, mangels Stallgeruchs freilich übergangen – ein Naturgesetz der Einflussnahme mittels Kampagnen?
Martin Rath, Einflussreich, jedenfalls bemerkenswert: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18070 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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