Der EGMR hatte im Jahr 2023 gute Nachrichten für die Bild-Zeitung – und schlechte Nachrichten für verbeamtete Lehrer, die streiken wollen. Die Läuferin Caster Semenya kämpft derweil weiter um ihre Teilnahme an Olympia 2024.
Die Europäische Konvention für Menschenrechte (EMRK) ist vor 70 Jahren in Kraft getreten, sechs Jahre später folgte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Damals standen aber zum Teil gänzlich andere Fälle als heute auf der Agenda des EGMR.
In diesem Jahr durfte sich der Straßburger Gerichtshof oft mit dem Recht auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK auseinandersetzen, immer in unterschiedlichen Ausprägungen. So entschied er in einem Fall aus Frankreich, dass ein drittes Geschlecht nicht in die Geburtsurkunde eingetragen werden muss. In einer weiteren Entscheidung zu einem Fall aus Deutschland beschäftigte sich der EGMR mit Mutterschaft und Vaterschaft bei trans Personen. Die Läuferin Caster Semenya, die einen erhöhten Testosteronspiegel hat und deshalb bei bestimmten Disziplinen der Frauen nicht mehr starten darf, konnte einen Teilerfolg vor dem EGMR verbuchen. Hier sah der EGMR unter anderem einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK, aber auch gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 14 EMRK. Außerdem hat der EGMR entschieden, dass ein Kinderbuch, das die gleichgeschlechtliche Ehe thematisiert, keinen diesbezüglichen Warnhinweis enthalten muss.
Die Fälle haben teils ganz praktische Bedeutung für Deutschland. So muss etwa das Land Brandenburg einem Bild-Journalisten nicht die Namen von Richtern denen, die mit der Stasi in Verbindung gebracht werden, wohl aber weitere Informationen zu belastenden Erkenntnissen über sie. Bild.de muss die Gesichter von Polizisten nicht immer verpixeln und verbeamtete Lehrer dürfen nicht streiken.
Russland ist zwar seit September 2022 kein Mitglied der EMRK mehr, der EGMR darf aber über Fälle entscheiden, die sich auf Geschehnisse vor diesem Datum beziehen. Der Krieg im Südkaukasus liegt 15 Jahre zurück,dieses Jahr entschied der EGMR, dass Russland eine Entschädigung in Höhe von 130 Millionen Euro an Georgien zahlen muss. Wenig überraschend urteilte der EGMR, dass Russland im Zusammenhang mit dem Mordanschlag auf den größten Kremlkritiker Alexej Nawalny nicht ausreichend ermittelt hat.
Außerdem hat der EGMR zum ersten Mal die desolaten humanitären Zustände in einem griechischen Flüchtlings-Hotspot als "unmenschliche und erniedrigende Behandlung" eingestuft.
Es fanden auch einige spannende Verhandlungen vor der Großen Kammer des EGMR statt: Sowohl die ältere Generation als auch die Jugend setzt sich für mehr Klimaschutz ein: Die "KlimaSeniorinnen" verklagen die Schweiz, sechs portugiesische Jugendliche wenden sich sogar gegen 32 EU-Staaten. Und auch die russische Annexion der Krim war in diesem Jahr Thema beim EGMR.
Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53517 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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