1917 – Deutschland spielt Sozialismus, aber sehr legal
Im dritten Jahr des Ersten Weltkriegs wurde ein Gericht ins Leben gerufen, das zu den wenig bekannten Einrichtungen des deutschen Wirtschaftsverwaltungsrechts zählt.
Mit der "Verordnung über die Sicherstellung von Kriegsbedarf" vom 26. April 1917 schuf der Gesetzgeber eine an Unklarheit kaum zu überbietende Ermächtigungsgrundlage für das, was man später den deutschen Kriegssozialismus genannt hat: "Während der Dauer des gegenwärtigen Krieges kann das Eigentum an Gegenständen des Kriegsbedarfs und an Gegenständen, die bei der Herstellung oder dem Betriebe von Kriegsbedarfsartikeln zur Verwendung kommen können, unbeschadet der Zuständigkeit der Militärbefehlshaber, auch durch Anordnung der Kriegsministerien oder des Reichs-Marineamts oder der von ihnen bezeichneten Behörden auf eine in der Anordnung zu bezeichnende Person übertragen werden."
Aus § 1 Absatz 1 der Verordnung spricht die kriegswirtschaftliche Lage: War es bisher üblich gewesen, dass sich das Militär gleichsam als Endverbraucher versorgte, unter Umständen zwangsweise über die Militärbefehlshaber, sah man jetzt das Erfordernis, an vielen Stellen der Wertschöpfungskette einzugreifen, z.B. um Rohstoffe für die Munitionsherstellung aus anderweitigen Verwendungen umzudirigieren.
Zur Festsetzung der Entschädigung – orientiert am "Friedenspreis" – war nach der Verord-nung ein "Reichsschiedsgericht für den Kriegsbedarf" zu gründen, das nach 1918/19 als Reichswirtschaftsgericht firmierte und beispielsweise für die Schadensregulierung nach "Tumulten", also den bürgerkriegsähnlichen Konflikten in Deutschland, zuständig war.