1937 – Das Reichsgericht ganz sauber, Rassenschande im Bordell
Dass es nicht bereit war, der Verwaltung im NS-Staat jede Willkür durchgehen zu lassen, zeigte das Reichsgericht z.B. mit Urteil vom 29. Juni 1937 (Az. III 182/36): Ein württembergischer Polizei-Offizier hatte sich von einem seiner Muschkoten mit dem Dienst-Motorrad zu einer dienstlichen Besprechung kutschieren lassen. Einem dabei zu Schaden gekommenen Bürger wollte das Deutsche Reich, inzwischen Dienstherr, aber a) die Haftung aus Artikel 131 Reichsverfassung, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch verweigern, weil hier keine "öffentliche Gewalt" ausgeübt worden sei, und b) einen Lebensversicherungsanspruch auf den Schadensersatz anrechnen.
Das machte das Reichsgericht nicht mit (Reichsgericht in Zivilsachen, Band 155, S. 186–192).
Ein paar Dienstzimmer weiter: "Der Angeklagte, der Volljude ist, ging am 22. November 1935 mit der deutschblütigen M., die der gewerbsmäßigen Unzucht nachgeht, in deren Schlafzimmer, um dort mit ihr den Beischlaf auszuüben. Die M. schloß die Zimmertür ab, nahm aus ihrem Nachttisch ein Schutzmittel, machte es gebrauchsfähig und begann, sich zu entkleiden. Auch der Angeklagte zog sich Rock, Weste, Schuhe und Strümpfe aus."
Als zehn Minuten später die Polizei eintrifft, hatten sich Prostituierte und Kunde nur unterhalten, eine Zigarette geraucht. – Die Verteidigung mühte sich, mit der Revision gegen das Urteil wegen versuchter "Rassenschande" vorzugehen, weil noch kein Körperkontakt zwischen den Beteiligten stattgefunden hatte. Das Reichsgericht exekutiert die Rassengesetzgebung im Sinne ihrer Erfinder: Weil das "Blutschutzgesetz" neben der Verhinderung von "Mischlingen" auch die "deutsche Ehre" schützen solle, genüge schon die Absicht des "Volljuden", mit der "deutschblütigen" Prostituierten zu verkehren, als Versuch.
Martin Rath, Jahrhundert-Rückblick: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21627 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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