2/2: Auswirkungen auf weitere Streitigkeiten
Das Urteil betrifft aber nicht nur Ausbaumaßnahmen an Flüssen mit ihren hydro- und morphologischen Folgen. Es hat auch Auswirkungen auf die Genehmigung von Kühlwasserentnahmen bei Kohlekraftwerksneubauten oder aber für die im Vergleich zur Weservertiefung noch eingriffsintensivere Elbvertiefung. Beides ist ebenfalls Gegenstand laufender Streitigkeiten.
Potenziell auswirken kann sich das Urteil auch auf andere gewässerschädigende Vorhaben wie etwa den laufenden Betrieb bereits bestehender Kohlekraftwerke, der neben Kühlwasserentnahmen meist auch wegen der Quecksilberemissionen problematisch ist.
Detaillierte Vorgaben durch Tochterrichtlinie
Noch weitergehend ist die Frage nach Beeinträchtigungen von Gewässern durch landwirtschaftlich bedingte Einträge von schädigenden Stoffen in Grund- und Oberflächenwasserkörper auswirkt. Würde die WRRL hier ernstgenommen, würde dies die konventionelle, mit großem Einsatz von Pestiziden und mineralischem Dünger arbeitete Landwirtschaft weitgehend in Frage stellen.
Gleiches gilt für den Kohlekraftwerksbetrieb und seine Quecksilberemissionen, zu denen eine Tochterrichtlinie der WRRL noch detailliertere Vorgaben macht. Da dies auch für den Klima- und Naturschutz einen großen Schritt nach vorn bedeuten würde, hängt hier an der Interpretation der WRRL auch der erfolgreiche Umgang mit weiteren wichtigen Umweltproblemen.
Ausnahmen sind nicht geklärt
Nicht zu klären war durch den EuGH im vorgelegten Fall der Weservertiefung indes die Frage, unter welchen Voraussetzungen die WRRL eine – dort relativ eng definierte –Ausnahme von den Umweltzielen zulässt. Sie spielen für die genannten Beispiele damit eine große Rolle.
Schwer vorstellbar ist aber, dass der EuGH es akzeptiert, wegen einer in anderen Genehmigungsverfahren - wie beispielsweise der Elbvertiefung - etwaig unterstellten wirtschaftlichen Bedeutung eines schädigenden Vorhabens pauschal eine Ausnahme von den Umweltzielen anzunehmen. Diesbezüglich betonte der EuGH am Rande, dass Ausnahmen von vornherein nur unter der Bedingung gelten können, dass alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern.
Genaue Definition von "verschlechternd" fehlt
Die Begriffsbildung zum Verschlechterungsverbot lässt zudem die Frage offen, welche ganz genauen Zustände und Vorgänge unter Heranziehung naturwissenschaftlichen Wissens in der Subsumtion als "verschlechternd" erfasst werden.
Hier wird in konkreten Fällen ein Augenmerk darauf gerichtet werden müssen, dass die Verwaltung nicht versucht, etwa durch die Art der Messungen das EuGH-Urteil vor Ort zu unterlaufen. Dass der EuGH insoweit keinen Spaß versteht und die Bundesrepublik bei anhaltendem Unterlaufen des Verbesserungsgebots bei Bedarf auch zu Strafzahlungen in satter Millionenhöhe verurteilen wird, ist aus früheren Umweltrechtsfällen bekannt.
Felix Ekardt leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin und ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock.
Felix Ekardt, EuGH zur Wasserrahmenrichtlinie: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16066 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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