EuGH zur Wasserrahmenrichtlinie: EU macht Ernst mit dem Ver­sch­lech­te­rungs­ver­bot für Ge­wäs­ser

Schon relativ geringe Verschlechterungen der Gewässerqualität sind nach einem EuGH-Urteil grundsätzlich verboten. Die Auswirkungen der Entscheidung erläutert Felix Ekardt.

Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (EU) wird durch ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) deutlich gestärkt (Urt. v. 01.07.2015, Az. C‑461/13). Schon relativ geringe Verschlechterungen der Gewässerqualität sind grundsätzlich verboten. Das gilt nicht nur allgemein für Bewirtschaftungspläne, sondern auch für Einzelprojekte wie eine Flussvertiefung oder vielleicht auch einen Kohlekraftwerksbetrieb.

Am Mittwoch verkündete der EuGH sein Urteil in dem vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren (Beschl. v. 11.07.2013, Az: 7 A 20.11) zur Interpretation der EU-Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG – WRRL). Vor dem BVerwG klagt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die Weservertiefung. Die WRRL enthält für den chemischen und ökologischen Zustand von Gewässern ein näher ausbuchstabiertes Verbesserungsverbot mit bestimmten Fristen und zugleich ein Verschlechterungsverbot für alle Gewässer in der EU.

Streit über viele Einzelheiten

Schon länger zeichnet sich in der Praxis ab, dass die WRRL den Gewässerschutz deutlich stärkt, doch über viele Einzelheiten besteht Streit. So hatte das BVerwG Zweifel, ob die WRRL für ein Genehmigungsverfahren konkreter Vorhaben, wie etwa der Weservertiefung, gilt oder ob sie sich darauf beschränkt, bloße Zielvorgaben für die Bewirtschaftungsplanung aufzustellen.

Neben dieser Frage hat das BVerwG dem EuGH auch die Frage gestellt, welche Kriterien für die Prüfung des Vorliegens einer Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers im Sinne der WRRL maßgebend sind.

EuGH stärkt Gewässerschutz

Mit seinem gestrigen Urteil stellt der EuGH fest, dass das finale Ziel der WRRL darin besteht, durch eine konzertierte Aktion bis Ende 2015 einen guten Zustand aller Oberflächengewässer der Union zu erreichen. Allerdings wird die Verpflichtung, Wasserkörper zu schützen, zu verbessern und zu sanieren, um spätestens Ende 2015 einen guten Zustand zu erreichen, in der EU weithin verfehlt werden. Dass der EuGH die im Wortlaut der WRRL unschwer nachlesbare Verpflichtung nun klar bestätigt, macht das Urteil bereits sehr brisant für die Praxis.

Unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Ziele und der Struktur der WRRL gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass es sich dabei nicht nur um programmatische Verpflichtungen handelt, sondern dass sie auch für konkrete Vorhaben gelten. Der EuGH antwortet dem BVerwG daher, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands gefährdet.

Entscheidend ist das Verbesserungsgebot

Auch die Frage, ab wann eine "Verschlechterung des Zustands" eines Oberflächenwasserkörpers gegeben ist, gab der EuGH eine Antwort: Eine solche Verschlechterung liegt vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der WRRL um eine Klasse verschlechtert. Und zwar auch, wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt.

Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine "Verschlechterung des Zustands" eines Oberflächenwasserkörpers dar. Gewässerverschlechterungen sind daher nur in sehr geringem Umfang möglich, und auch dies nur vorübergehend. Denn es gilt ja das Verbesserungsgebot.

EU-Mitgliedstaaten geraten unter Druck

Die EU-Mitgliedstaaten, die ihre gewässerbezogenen Verpflichtungen bisher schleifen lassen, geraten durch das EuGH-Urteil, das einige offene Rechtsfragen ausräumt, unter Druck.

Dass sich etwa die Häfen der Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg einen im Grunde föderalismusbedingten Konkurrenzkampf im Gewässerausbau auf Kosten der Umwelt und letztendlich auch der Steuerzahler liefern, statt auf den bereits gebauten und bisher nur wenig ausgelasteten Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven zu setzen, wird daher so nicht fortgesetzt werden können.

Zitiervorschlag

Felix Ekardt, EuGH zur Wasserrahmenrichtlinie: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16066 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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