Sollte man kennen: Sechs BVerfG-Ent­schei­dungen, die 2017 Deut­sch­land ver­än­dert haben

von Annelie Kaufmann

29.12.2017

3/6 Zum X-ten Mal: Es ist nicht immer alles gleich Schmähkritik!

"Obergauleiter!" Doch, das kann man schon mal sagen, auch zu einem Bundestagsabgeordneten, eine reine Schmähkritik ist das nicht unbedingt, sondern auch ein bisschen Meinungsfreiheit. Das entschied das BVerfG im Februar (Beschl. v. 08.02.2017, Az. 1 BvR 2973/14). Und setzte damit seine Linie fort, die Meinungsfreiheit zu stärken und an die Annahme einer davon nicht mehr geschützten Schmähung strenge Anforderungen zu stellen.

Man könnte sich allerdings schon fragen, ob die Bezeichnung "Obergauleiter" nicht besser zum Beschwerdeführer selbst gepasst hätte. Der leitete nämlich (im Jahr 2011) eine rechte Demonstration in Köln und sah sich einer Schar Gegendemonstranten gegenüber, darunter der Grünen-Abgeordnete, der die Teilnehmer als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnete.

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt", so der Versammlungsleiter daraufhin und verglich diesen mit einem "Obergauleiter der SA-Horden". Und weiter: "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

Aber, wie die Verfassungsrichter betonten: Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit "schützt nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen". Man darf also "Obergauleiter!" schimpfen, erst recht, wenn vorher jemand "rechtsextremer Idiot" geschimpft hat. Eine hilfreiche Entscheidung für alle, die sich bei Schimpfworten gerne im rechten Spektrum bedienen.

Zitiervorschlag

Annelie Kaufmann, Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 29.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26221 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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