2/10: 1928 - Der Schachty-Prozess
Zwischen dem 18. Mai und dem 7. Juli 1928 standen in Moskau 53 russische Ingenieure und Funktionäre sowie drei deutsche Ingenieure wegen Sabotage- und Konspirationsvorwürfen vor einem sorgfältig vorbereiteten Tribunal unter dem Vorsitz des späteren sowjetischen Generalstaatsanwalts und Außenministers Andrei Wyschinski (1883–1954).
Ein Teil der Angeklagten wiederholte vor dem Publikum von rund 1.500 Zuschauern und über 100 Journalisten sowie diplomatischen Prozessbeobachtern ihre abgepressten Geständnisse. Während die drei deutschen Angeklagten frei kamen, möglicherweise um die Kooperation zwischen dem militärisch-industriellen Komplex in Deutschland und der UdSSR nicht zu gefährden, wurden die übrigen Angeklagten fast durchgängig schuldig gesprochen, elf zum Tod verurteilt.
Wichtiger als die teils in sich schon bei technisch-wissenschaftlicher Betrachtung unschlüssigen Sabotagevorwürfe war das ritualisierte Bekenntnis der Verschwörung mit ausländischen Mächten sowie inneren Feinden des neuen starken Manns der Sowjetunion, Josef Stalin (1878–1953).
Die nach dem vermeintlichen Tatort, der Stadt Schachty im Donezk-Industriegebiet, benannte Justiz-Travestie gilt als der erste große Schauprozess im Machtbereich der kommunistischen Parteien – eine Tradition, die in der Volksrepublik China bis heute gepflegt und, in Form geheimdienstlich gesteuerter Verfahren, auch in der Russischen Föderation leider nicht unbekannt ist.
Martin Rath, 100 Jahre Rechts- und Justizgeschichte: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26235 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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