Bedroht der Teddybär die Geschlechterordnung?
In seiner heute bekannten Gestalt als Puppe mit beweglichen Armen wird der Teddybär auf Richard Steiff (1877–1939) zurückgeführt, den Neffen der erfolgreichen Spielzeugfabrikantin Margarete Steiff (1847–1909). Seinen Namen erhielt die Puppe, wohl im Zusammenhang mit dem seit 1903 einsetzenden US-Geschäft der Firma Steiff, angelehnt an den republikanisch-progressiven US-Präsidenten Theodore Roosevelt (1858–1919, im Amt 1901–1909).
Kein Gegenstand ist zu harmlos, als dass er in den USA nicht zu paranoiden religiösen oder politischen Betrachtungen einladen würde: Im 5.000-Seelen-Kaff St. Joseph (Michigan) erwarb der katholische Geistliche Michael G. Esper publizistische Unsterblichkeit, indem er gegen den Teddybären predigte. Heranwachsende Mädchen verlören, so der Priester, ihre Mutterinstinkte, würde ihnen erlaubt, ein so unnatürliches Spielzeug zu liebkosen. Nichts sei ekelhafter als ein Mädchen, das ein solches Pseudotier streichle oder gar küsse. Indem Mädchen statt zur hergebrachten Puppe zum Bären griffen, leisteten sie einen Beitrag zum Untergang der Menschheit ("race suicide").
60 Jahre später verhandelte der Zweite Wehrsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache eines Hauptmanns der Bundeswehr, der einem Untergebenen handgreiflich die Uniformkrawatte zurechtgerückt haben soll. Der Gegensatz der beiden Soldaten war apart:
Während der Offizier als Absolvent einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt über die Marine in eine SS-Panzerdivision geraten war, um sich nach vier Jahren in sowjetischer Gefangenschaft zum Diplom-Sportlehrer ausbilden zu lassen, bei der Bundeswehr schließlich viel Wert auf Leibesübungen legte, wird der von ihm bedrängte Wehrpflichtige vom Gericht als "erheblich in der psychischen Reifung zurückgeblieben" bezeichnet – was sich unter anderem darin gezeigt habe, dass er sich als Rekrut "mit einem Teddybären als Schlaftier bei der Truppe meldete" und in seiner Freizeit gerne in der Kaserne Rollschuh lief.
Gleichwohl: Der Teddy war wider Erwarten kein Gegenstand handgreiflicher Erziehungsversuche durch den Offizier. Strittig war nur, ob sich der Hauptmann angesichts des Antrags, den Kriegsdienst zu verweigern, abfällig zum Soldaten geäußert hatte: "Mit der Bibel in der Hand können Sie den Iwan nicht aufhalten!"
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Dezember 1967 (Az. II WD 44/67).
Puppen im Recht: . In: Legal Tribune Online, 02.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42375 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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