8/11 Ein Patriarch, der insgeheim weiterlebt
Gelegentlich wird das Recht recht persönlich: Gilt es etwa im Haftungsrecht zu bestimmen, welche Sorgfalt in eigenen oder fremden Angelegenheiten zu beachten ist, wird dies – ohne Zuhilfenahme avancierter wohlfahrtsökonomischer Berechnungen – oftmals mit Blick auf einen idealisierten, abstrakten Akteur geklärt: der "Erwartungshorizont des durchschnittlichen Haustürkäufers" kommt hier ins Spiel oder der "verständige Dritte".
Wie der "bonus pater familias" im historischen Recht eben diese Rolle ausfüllte, für die heute ein ganzes Ensemble juristisch imaginierter Idealfiguren auf die Bühne tritt, zeichnet Katharina Stypulkowski in ihrer Bonner Dissertation "Der bonus pater familias im klassischen Römischen Recht" ausführlich nach.
Im 19. Jahrhundert hatte sich die Fantasie von der sozialen Realität des "pater familias", der etwa idealtypisch wusste, wie sorgfältig man mit einer gekauften Sache umzugehen habe, derart verflüchtigt, dass die Dogmatik dieser Zeit sich von der "pater familias"-Figur nicht mehr angesprochen fühlte. Bedauerlich ist, dass mit ihr die ausdrückliche Verknüpfung von Recht und bis in die Antike zurückreichender philosophischer Reflexion, etwa der Anthropologie der stoischen Tradition, verlorenging – um wie viel eifriger würde man sich wohl heute mit den ins Recht mittels "Erwartungshorizont"-Dritter implantierter Werte befassen, könnte man sich noch am alten Patriarchen abarbeiten?
Katharina Stypulkowski: Der bonus pater familias im klassischen Römischen Recht. Soziales Abbild und Rechtsbegriff. Hamburg (Dr. Kovač) 2017. Dissertation Bonn 2017.
Martin Rath, Neun neue Jura-Dissertationen: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25375 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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