Europäisches Markenamt zu Buchtitel: Wanderhure wandert weiter

12.06.2015

"Wanderhure" ist jetzt eine Marke. Der Begriff sorge für Unterhaltung, so die Kammer des Harmonisierungsamtes. Und begründete ihre Entscheidung ungewöhnlich launisch.

Die Münchener Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH § Co. KG und die Autoren des Romans "Die Wanderhure" haben vor dem Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM) in Alicante (Spanien)  ein Beschwerdeverfahren gewonnen. Die Europäische Behörde ließ den Buchtitel, der auch schon für die Verfilmung herhielt, als Gemeinschaftsmarke für den Europäischen Binnenmarkt zu.

Das jedenfalls entnimmt man dem ungewöhnlich zwanglos formulierten Tenor der Entscheidung: "Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wird zum Weiterwandern zugelassen." Gleichzeitig hob die Vierte Beschwerdekammer die gegenteilig lautende Entscheidung der vorinstanzlichen Prüfstelle des HABM auf.

Im Wesentlichen entschied die Kammer, dass die Marke "Die Wanderhure" nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoße und daher einer Eintragung nichts entgegenstehe.

Die Prüferin des HABM hatte gegen die Markenanmeldung unter anderem vorgebracht, der Wortbestandteil "Hure" sei "ein vulgärer und unanständiger Ausdruck und ein anstößiges Schimpfwort", dem wegen Sittenwidrigkeit die Eintragung zu versagen sei.

SWR-Sendung "der Unzucht nicht verdächtig"

Ob die Richter nun selbst Fans der Wanderhure sind oder aus anderem Grunde ungewöhnlich gelassen formulierten – zahlreiche Passagen des Urteils regen zum Lachen an. So stellen die Richter etwa klar, dass die Bezeichnung "Wanderhure" in der heutigen Zeit nicht (mehr) anstößig sei. Regelmäßig sorge der anmeldungsgemäße Begriff nicht etwa für Abscheu, sondern für Unterhaltung, so die Kammer. Als Beispiel nennt sie die "der Förderung der Unzucht nicht verdächtige" SWR-Sendung "Sag die Wahrheit", in der die Autorin des Romans aufgetreten war.

Überhaupt sei im deutschen Sprachgebrauch eine Alternative zu dem in Rede stehenden Begriff nicht ersichtlich. Die Wanderhure des 15. Jahrhunderts sei als "eine spezialisierte Gruppe von Dienstleistungserbringerinnen" zu verstehen. Im gegenwärtigen Sprachgebrauche existiere der Begriff "Wanderdienstleistungserbringerin" aber ebenso wenig wie "das in ihm beschriebene soziale Phänomen". Daher vermische die angefochtene Entscheidung zur Markeneintragung "die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst" und somit "die Unterscheidung von Fact und Fiction".

Auch müsse man bei einer Ablehnung dieser Eintragung jeden Krimi mit dem Wort "Mord" im Titel verbieten, denn es gebe schließlich nichts sittenwidrigeres, als einen Mord zu begehen. Und wer wollte schon dem Liedermacher Reinhard Mey vorwerfen, mit seinem Lied "Der Mörder war immer der Gärtner" einen ganzen Berufsstand sittenwidrig verunglimpft zu haben?

Wanderwege der Wanderdame

Da mit der Marke außerdem niemand persönlich beleidigt werde, steht für die Kammer schließlich fest, dass die "Wanderdame" weiterwandern dürfe. Die Anmeldung könne auch in dem begehrten Ausmaß erfolgen.

Die Beschwerdeführer hatten die Gemeinschaftsmarke für zahlreiche Waren und Dienstleistungenklassen beantragt, darunter auch eher abwegige wie Klasse 9 (technische Instrumente und Apparate), zu der die Richter mutmaßen, dass es wohl um die Vermessung und Kartographierung der Wege der Wanderhure gehen müsse. Man gehe aber doch davon aus, dass mit der gleichfalls beantragten Zulassung für Klasse 41 (Erziehung, Unterhaltung, sportliche Aktivitäten) gemeinnützige Sozialarbeit und nicht etwa die Erziehung zur Prostitution bezweckt werde.

Erwirkt haben die Entscheidung für die Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH § Co. KG und die Autoren die SKW Schwarz-Rechtsanwälte Dr. Konstantin Wegner und Margret Knitter, LL.M. (Federführung), aus dem Fachbereich Gewerblicher Rechtsschutz.

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Europäisches Markenamt zu Buchtitel: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15828 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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