In der kommenden Woche wird die Freigabe von Cannabis im Bundestag beschlossen. Noch offen ist, ob sich bald auch autofahrende Cannabis-Konsumenten auf eine liberalere Rechtslage freuen dürfen. Ein Vorschlag kommt jetzt vom ADAC.
Viele Verkehrsrechtler und Rechtsmediziner fordern schon seit längerem eine Anhebung des derzeitigen Grenzwertes von 1,0 Nanogramm (ng) Tetrahydrocannabinol (THC) pro ml Blutserum als Nachweis für eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. THC gilt als die psychoaktive Substanz des Hanfs und macht den Hauptteil der berauschenden Wirkung aus. Der aktuelle Grenzwert liege so niedrig, dass er zwar den Nachweis des Cannabis-Konsums ermögliche, "aber nicht zwingend einen Rückschluss auf eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung zulässt", erklärten im August 2022 etwa die Verkehrsrechtler des 60. Deutschen Verkehrsgerichtstages.
Immer wieder werden Fälle geschildert, in denen jemand am Samstag-Abend Gras raucht, sich am Montag stocknüchtern ans Steuer setzt und dann in eine Verkehrskontrolle gerät, bei der sich ein Blutwert über 1,0 ng herausstellt. Mit fatalen Folgen: Denn nach aktueller Rechtslage handelt ordnungswidrig, wer unter Wirkung bestimmter berauschender Mittel ein Kraftfahrzeug führt, zu denen Cannabis gehört. Und eine solche Wirkung wird angenommen, wenn der Grenzwert 1,0 ng erreicht wird. Es drohen dann bis zu 3.000 Euro Geldbuße, bis zu drei Monate Fahrverbot und zwei Punkte in der Flensburger Datei. Ausnahmen gibt es lediglich für ärztlich verschriebenes Cannabis als Arzneimittel.
Warten auf Wissings Vorschlag für neuen § 44 KCanG
Wenn nun also in der kommenden Sitzungswoche die Ampel-Koalition nach langem Hin und Her eine Teil-Legalisierung im Bundestag beschließt, fehlen im zugrunde liegenden Cannabisgesetz (CanG) jegliche Regelungen zum THC-Grenzwert. Fest steht nur, dass dieser irgendwann in einem neuen § 44 Konsumcannabisgesetz (KCanG) geregelt sein soll.
Und wann ist damit zu rechnen? Die Ampel-Fraktionen warten insoweit auf das Ergebnis einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus dem Hause von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Geplant ist, dass diese bis zum 31. März einen konkreten THC-Grenzwert für das Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr vorschlagen wird. "Die Festschreibung des Grenzwertes sollte anschließend durch den Gesetzgeber erfolgen", heißt es in einem Papier mit Änderungsanträgen zum CanG, das LTO seinerzeit exklusiv veröffentlicht hatte.
Ob der Wert angehoben wird, ist grundsätzlich noch offen. Die Arbeitsgruppe Verkehr der SPD-Bundestagsfraktion hatte z.B. in Anlehnung an einen Vorschlag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) seinerzeit einen Grenzwert von 3,0 ng THC/ ml Blutserum vorgeschlagen. Verkehrsrechtler des Deutschen Anwaltvereins DAV hatten darauf verwiesen, dass eine im Vergleich zu der im Kontext Alkohol relevanten Promillegrenze von 0,5 Promille beim Cannabis erst bei einer Größenordnung von 4 – 16 ng/ml vorliege. In Wissings Ministerium ist man allerdings eher zurückhaltend. Noch im Mai 2023 hatte das BMDV gegenüber LTO erklärt, man sehe gar "keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf". Dass sich Wissing jedoch irgendwie bewegen wird, gilt inzwischen als gesichert.
ADAC: Für Fahranfänger soll sich nichts ändern
In die Diskussion um die Bestimmung des Grenzwertes eingemischt, hat sich jetzt Deutschlands mitgliederstärkster Automobilclub ADAC. Grundsätzlich drängt der Verein im Kontext der Cannabis-Liberalisierung auf eine breite Aufklärung über erhöhte Unfallrisiken. In der Grenzwertfrage wird der Verein konkreter und schlägt eine differenzierte Regelung mit tendenziell strengeren Vorgaben für Fahranfängerinnen und Fahranfänger vor – ähnlich wie beim Umgang mit Alkohol am Steuer in der Probezeit nach dem Führerschein-Erwerb und für unter 21-Jährige. Bei Fahranfängern sollte weiterhin die bloße Möglichkeit einer Wirkung der berauschenden Substanz bei 1,0 Nanogramm THC sanktioniert werden, wie dies für Alkohol in § 24c Straßenverkehrsgesetz geregelt ist.
Jenseits dieser besonders gefährdeten Gruppe müsse das Ziel sein, einen Wert zu definieren, "bei dem eine Verschlechterung der Verkehrssicherheit tatsächlich zu erwarten und nicht nur theoretisch möglich ist". Mit anderen Worten: Einer Erhöhung des Grenzwertes für über 21-Jährige kann sich der ADAC durchaus vorstellen. Dr. Markus Schäpe, Leiter der ADAC Rechtsabteilung: "Wir brauchen wie bei Alkohol einen unzweifelhaften Grenzwert, der sich ausschließlich an den Auswirkungen von Cannabis im Straßenverkehr orientiert."
Auch soll laut ADAC geprüft werden, inwieweit weitere Messverfahren, wie z.B. die Analyse von Mundhöhlenflüssigkeit, geeignet wären, um eine akute Beeinträchtigung durch den Konsum von Cannabis in einer zeitlichen Nähe zur Teilnahme am Straßenverkehr bewerten bzw. nachweisen zu können. Vor der Anwendung neuer Messmethoden sollte deren Aussagekraft umfassend evaluiert werden.
Intensive Aufklärung über Unfallrisiken gefordert
"Klar ist, dass mit der Sicherheit im Straßenverkehr nicht experimentiert werden darf", sagte ein ADAC-Sprecher auf Anfrage der dpa am Wochenende. Der Konsum von Cannabis könne die Wahrnehmung verändern und das Reaktionsvermögen negativ beeinflussen. Insbesondere Personen, die im Zuge einer Legalisierung Cannabis ausprobieren wollen und sich vorab nicht mit seiner bewusstseinsverändernden Wirkung auseinandergesetzt haben, seien sich dieser Gefahr womöglich nicht ausreichend bewusst. Eine intensive Aufklärung der Bevölkerung zu den erhöhten Unfallrisiken sei daher unverzichtbar und sollte frühzeitig umgesetzt werden.
Ob es in Zukunft mehr Fälle von Cannabis am Steuer geben wird? Das hänge sicher auch damit zusammen, wie gut und intensiv die Bevölkerung über die erhöhten Unfallrisiken aufgeklärt werde, heißt es beim ADAC. "Dabei ist auch ausreichend darüber zu informieren, dass das Fahren unter Drogen strafbar bleibt."
Mit Material von dpa
Cannabis-Liberalisierung: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53898 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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