BVerwG zur Anforderungen an die Sichtbarkeit von Haltverbotszeichen: Keine anlass­lose Suche nach Hal­te­ver­bots­schil­dern

07.04.2016

Das BVerwG hat konkretisiert, wann und unter welchen Umständen Autofahrer Verkehrsschilder im ruhenden Verkehr zur Kenntnis nehmen müssen. Eine anlasslose Nachschaupflicht besteht nach einem Urteil vom Mittwoch nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat heute präzisiert, welche Anforderungen der so genannte Sichtbarkeitsgrundsatz im ruhenden Verkehr an die Erkennbarkeit und Erfassbarkeit von Verkehrszeichen und an die dabei von den Verkehrsteilnehmern zu beachtende Sorgfalt stellt. Die Anforderungen müssen danach unterscheiden werden, ob sie den ruhenden oder den fließenden Verkehr betreffen (Urt. v. 06.04.2016, Az. 3 C 10.15).

In Leipzig wurde der Fall eines Berliners verhandelt. Er wendete sich gegen die Auferlegung einer Gebühr für die Umsetzung seines Autos. Er hatte es in Berlin in einem Straßenabschnitt geparkt, wo wegen eines am nächsten Tag stattfindenden Straßenfestes durch vorübergehend angebrachte Verkehrszeichen ein absolutes Haltverbot ausgeschildert war. Er wandte unter anderem ein, die Verkehrszeichen seien nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen. Die Haltverbote seien daher nicht wirksam bekanntgemacht worden.

In den Vorinstanzen blieb seine Klage ohne Erfolg. So ist das Oberverwaltungsgericht (OVG) von einer anlasslosen Nachschaupflicht ausgegangen und hat angenommen, dass das Halteverbot für den Autofahrer erkennbar gewesen wäre, wenn er dieser Nachschaupflicht genügt hätte. Es hat offen gelassen, in welcher Höhe und welcher Ausrichtung das Haltverbotszeichen angebracht war.

ADAC: Wegweisendes Urteil für Autofahrer

Das BVerwG ging dagegen nicht von einer anlasslosen Nachschaupflicht aus. Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr äußerten ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Dann müssen sie aber so aufgestellt sein, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 Straßenverkehrsordnung erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, dass ein Ge- oder Verbot durch ein Verkehrszeichen verlautbart wurde. Zu einer Nachschau ist der Verkehrsteilnehmer nur verpflichtet, wenn hierfür ein Anlass besteht.

Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das OVG zurückverwiesen. Die Anwendung des sogenannten Sichtbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht stehe mit den dargelegten Anforderungen nicht im vollen Umfang im Einklang. Daher seien weitere Feststellungen zur Austellung und Sichtbarkeit der Halteverbotszeichen notwendig.

Dr. Adolf Rebler, Regierungsrat in der Oberpfalz, erläutert gegenüber LTO: "Im ruhenden Verkehr werden an den Sichtbarkeitsgrundsatz niedrigere Anforderungen gestellt. Jemand, der sein Fahrzeug abstellt, ist nach bisheriger Rechtsprechung unter Umständen verpflichtet, auszusteigen und nachzuschauen, ob nicht irgendwo ein Halte- oder Parkverbotsschild steht. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht diese Anforderungen für den ruhenden Verkehr präzisiert."

Der ADAC hat die Entscheidung als wegweisendes Urteil gegen schlecht sichtbare Halteverbots-Schilder gelobt. Die Behörden müssten kurzzeitig geltende Schilder sorgfältig und gut sichtbar aufstellen, andernfalls seien die Autofahrer nicht für Verstöße verantwortlich zu machen, sagte der ADAC-Verkehrsjurist Markus Schäpe am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

acr/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

BVerwG zur Anforderungen an die Sichtbarkeit von Haltverbotszeichen: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19006 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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