Geheimtreffen zur Abgasaffäre mit Daimler-Chef: VG Berlin zwingt Ver­kehrs­mi­nister zur Aus­kunft

von Dr. Markus Sehl

14.02.2019

3,75 Milliarden Euro Ordnungsgeld für Mercedes-Diesel-Fahrzeuge? Das soll Thema bei einem vertraulichen Treffen Scheuers und Zetsches gewesen sein. Details dazu muss das Ministerium nun preisgeben, so das VG Berlin.

Für den Morgen des 28. Mai 2018 hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer den Daimler-Chef Dieter Zetsche in sein Berliner Ministerium einbestellt. Es sollte um das Ausmaß des Dieselabgas-Skandals gehen: Daimler war in diesen Tagen bereits unter Druck geraten und musste erste Autos zurückrufen.

Über was bei dem Treffen gesprochen wurde, darüber sollte Stillschweigen herrschen. Allerdings will der Spiegel brisante Einzelheiten zur Abgasaffäre bei Daimler erfahren haben. So soll Scheuer bei dem Treffen gedroht haben, er könne 5.000 Euro pro Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung als Ordnungsgeld verhängen. Bei 750.000 betroffenen Mercedes-Fahrzeuge macht das eine Summe von 3,75 Milliarden Euro – eine gewaltige Drohkulisse. Zetsche zeigte sich nach dem Treffen gelassen, es sei "ein gutes Gespräch" gewesen.

Über dieses Treffen muss der Verkehrsminister nun Auskunft geben - und zwar ziemlich detailreich, wie das Verwaltungsgericht (VG) Berlin Anfang Februar 2019 in einem Eilverfahren entschieden hat (Az. 27 L 370.18). Der 24-seitige Beschluss der 27. Kammer am VG hat bislang erstaunlicherweise noch keine Aufmerksamkeit erfahren, dabei könnte der Fall aufgrund seiner Besonderheiten zu einem Präzedenzfall für das Auskunftsrecht werden.

Ausführlich legt der Beschluss dar, was das Verkehrsministerium nun zu geplanten Bußgeldern gegen Daimler mitteilen muss. Dabei geht es um einen umfangreichen Fragenkatalog, den ein ZDF-Redakteur im Juli 2018 an das Ministerium schickte. Im E-Mail-Wechsel mit dem Journalisten betonte das Ministerium, bei dem vertraulichen Treffen sei es gar nicht um Ordnungsgelder gegangen, es vertröstete den Redakteur mit Verweis auf die geltende Rechtslage. Außerdem seien die Staatsanwaltschaften in laufenden Ermittlungsverfahren zuständig, das Ministerium sei also gar nicht zu Auskünften berufen.

VG: "Anzunehmen, dass der Minister über die begehrte Information verfügt"

Das ZDF stellte deshalb Ende August 2018 einen Eilrechtsschutzantrag beim VG Berlin – und hatte nun weitreichend Erfolg. Danach muss das Verkehrsministerium Auskunft nicht nur zu dem Treffen, sondern auch zur Berechnung von Ordnungsgeldern, zu den einschlägigen Rechtsgrundlagen, ob ein behördliches Ermessen besteht oder eine Ermessensreduzierung auf Null, sowie zu Verjährungsfristen geben.

Den Auskunftsanspruch des Journalisten leitet das VG direkt aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz ab - und es wittert offenbar, dass es im Ministerium noch Informationen geben könnte, die bisher verschwiegen wurden. "Aufgrund der Einlassungen der Antragsgegnerin ist nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegnerin die Informationen […] gegenwärtig nicht vorliegen." Man beachte die doppelte Verneinung – und besonders spannend: Das Ministerium wird zu dem Treffen auch seinen Minister nochmal befragen müssen. "Es ist anzunehmen, dass zumindest der Bundesverkehrsminister über die begehrte Information verfügt", heißt es im Beschluss.

Nicht alles, was an Informationen vorhanden ist, muss auch herausgegeben werden. Bei Behörden kommt regelmäßig der unausforschbare "Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung" ins Spiel. Damit soll der Vorbereitungsprozess von Entscheidungen geschützt werden – und zwar auch vor Beeinflussung von außen. Bei dem Treffen am 28. Mai 2018 habe es sich aber "um einen bereits abgeschlossenen Vorgang" gehandelt, so das VG, was das das Ministerium auch eingeräumt habe.

Dessen Argument, dass, wenn das Auskunftsbegehren nun Erfolg habe, künftig vertrauliche Gespräche gefährdet sein könnten, überzeugte das auch VG nicht. Es handele sich bei dem Gespräch vielmehr um Aussagen eines abgeschlossenen Vorgangs. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung sei dadurch nicht ernsthaft gefährdet gewesen.

Das VG sieht darüber hinaus auch einen ausreichenden Grund für das Eilrechtsverfahren. So müsse ein Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden, weil die begehrten Auskünfte ihren Nachrichtenwert verlören. Zetsche wird im Mai die Führung von Daimler abgeben.

Die Eilentscheidung ist noch nicht rechtskräftig, gegen sie wurde Beschwerde eingelegt. Das Verfahren liegt jetzt beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, wie eine Sprecherin gegenüber LTO bestätigte. Das Bundesverkehrsministerium wollte mit Verweis auf das noch laufende Verfahren keine Stellung nehmen. 

Zitiervorschlag

Geheimtreffen zur Abgasaffäre mit Daimler-Chef: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33865 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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