Vorschlag vom Verkehrsgerichtstag in Goslar: "Idio­ten­test" schon ab 1,1 statt 1,6 Pro­mille

von Marcel Schneider

03.02.2016

2/2: "Alkohol-Interlock wäre kein milderes Mittel"

LTO: Das Bundesministerium für Gesundheit hat den Arbeitskreis gebeten, die Installation eines Alkohol-Interlock als milderes Mittel anstelle einer MPU zu bewerten. Dabei misst ein Gerät im Kfz von auffällig gewordenen Verkehrsteilnehmern den Alkoholgehalt im Atem des Fahrers. Nur wenn das Gerät keinen Alkohol in der Atemluft feststellen kann, kann das Fahrzeug in Gang gesetzt werden. Zu welchem Ergebnis sind die Teilnehmer gekommen?

Dronkovic: Ein Alkohol-Interlock kann nützlich sein, um Fahrten unter Alkoholeinfluss wenigstens rein technisch zu verhindern. So können etwa Lastkraftwagenfahrer, die ihren Führerschein wegen einer Trunkenheitsfahrt verloren haben, immerhin ihren Beruf weiter ausüben, um nicht ihre existenzielle Grundlage zu verlieren. Das bekämpft aber nur die Symptome, d. h. die Verwendung eines Alkoholinterlocks ist nicht geeignet, zu einer Verhaltensänderung beizutragen.

Die MPU ist aber das einzig mir bekannte Mittel, um festzustellen, ob Verkehrssünder, die wegen Trunkenheit am Steuer aufgefallen sind, eine dauerhafte Verhaltensänderung herbeiführen konnten. Die Verhaltensänderung lässst sich in der Regel nur durch eine entsprechende verkehrstherapeutische Maßnahme erreichen, während dies mit dem technischen Gerät Alkohol-Interlock nicht zu erreichen ist. Ein Alkohol-Interlock ist – da hierzu nicht geeignet – also auch nicht das mildere Mittel gegenüber der MPU.

"Die Gerichte entscheiden sehr unterschiedlich"

LTO: Im Rahmen der Vorträge zum Thema war auch die Rede von "Anwendungsschwierigkeiten der gesetzlichen Regelungen". Was hat es damit auf sich?

Dronkovic: Der Führerscheinentzug - und damit verbunden auch oft die Anordnung einer MPU – ist eine sehr gravierende Maßnahme in einer Gesellschaft, in der Mobilität eine große Rolle spielt. Entsprechend häufig werden solche Sanktionen vor den Gerichten angegriffen. Das ist deshalb problematisch, weil unterschiedliche Gerichte divergierend entscheiden.

Je nach Einzelfall haben Gerichte die Anordnung einer MPU schon unter der Grenze von 1,1 Promille, über die wir gerade erst nachdenken, angeordnet. Andere hingegen sahen diese bislang nicht einmal bei 1,1 Promille als sinnvoll an, sondern verhängten sie einfach gar nicht. Es mangelt derzeit an höchstrichterlicher Rechtsprechung - aber nun ist ein einschlägiges Verfahren am Bundesverwaltungsgericht anhängig. Parallel hierzu hat der Arbeitskreis II empfohlen, die Formulierung in § 13 FeV zielführend zu überarbeiten, um die widersprüchliche Rechtsprechung und den damit verbundenen innerdeutschen Führerscheintourismus zu vermeiden.

LTO: Frau Dronkovic, vielen Dank für das Gespräch.

Ulrike Dronkovic ist Fachanwältin für Verkehrsrecht bei Knabben Schmitz Seelhorst & Partner Rechtsanwälte, Köln.

Die Fragen stellte Marcel Schneider.

Zitiervorschlag

Marcel Schneider, Vorschlag vom Verkehrsgerichtstag in Goslar: . In: Legal Tribune Online, 03.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18332 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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