OLG Köln zur Haftung beim Verkehrsunfall: Wer sich nicht ansch­nallt, kann Mit­schuld tragen

03.09.2024

Ein schwerer Verkehrsunfall beschäftigt die Zivilgerichte, obwohl der alleinige Unfallverursacher feststeht. Seine Versicherung will einen Teil der Schäden nicht übernehmen, weil eine Mitfahrerin der Geschädigten nicht angeschnallt war.

Kommt es zu einem Verkehrsunfall, können nicht angeschnallte Autoinsassen neben dem Unfallverursacher für Schäden haften. Voraussetzung ist, dass durch die Verletzung der Anschnallpflicht andere Mitfahrer verletzt werden. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Köln in der vergangenen Woche (Urt. v. 27.08.2024, Az. 3 U 81/23). Doch im konkreten Fall ließ das Gericht die nicht angeschnallte Insassin auf dem Rücksitz nicht für die Verletzungen der Beifahrerin auf dem Vordersitz haften. Grund dafür: Das durch den Verstoß gegen die Gurtpflicht begründete Mitverschulden müsse hier hinter dem ganz überwiegenden Verschulden des Unfallverursachers zurücktreten.

Vorausgegangen war ein schwerer Verkehrsunfall im September 2018. Ein mit 1,76 Promille stark alkoholisierter Mann raste mit 150 bis 160 statt erlaubter 70 Stundenkilometer über eine Landstraße in NRW, kam von der Fahrbahn ab und rammte dadurch ein entgegenkommendes Fahrzeug. Dessen Insassen erlitten schwere Verletzungen. Eine von ihnen war die Beifahrerin des entgegenkommenden Fahrzeugs. Wer in welchem Umfang für ihre Verletzungen haftet, war Gegenstand des Rechtsstreits.

An diesem war der Unfallverursacher selbst nicht mehr beteiligt - er verstarb bei dem Unfall. Anlass für eine Klage sah aber seine Haftpflichtversicherung. Sie wollte für die Verletzungen der Beifahrerin nur in Höhe von 30 Prozent aufkommen, die übrigen 70 Prozent der Kosten sollte die nicht angeschnallte Insassin auf der Rückbank tragen. Dafür verwies die Versicherung auf ein Sachverständigengutachten. Demnach seien im Zeitpunkt des Aufpralls die Knie der Frau in die Rückenlehne des Beifahrersitzes eingedrungen und hätten dadurch erhebliche Verletzungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Brustkorbs verursacht.

Anschnallpflicht ist drittschützende Norm

Mit dieser Argumentation konnte die Versicherung jedoch weder das Landgericht (LG) Bonn noch das OLG Köln überzeugen. Nachdem das LG hatte die Zahlungs- und Feststellungsklage im Juli 2023 abgewiesen hatte (Az. 1 O 254/22), wies der 3. Zivilsenat des OLG nun die Berufung hiergegen zurück. Er betätigte die Ablehnung einer Mithaftung.

Zwar sei die Gurtpflicht § 21a Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) eine drittschützende Norm. Denn hiermit sollten Fahrzeuginsassen gerade auch vor Verletzungen durch nicht angeschnallte andere Mitfahrer bewahrt werden. Das vom Bundesgerichtshof angenommene Mitverschulden des Geschädigten im Rahmen der Verletzung der eigenen Gurtpflicht gelte dabei auch für Verletzungen anderer Fahrzeuginsassen, so der 3. Zivilsenat.

Allerdings ließ das OLG offen, ob sich die Verletzungen wirklich so ereignet haben, wie im Sachverständigengutachten dargestellt. Denn im Lichte des "strafwürdigen, grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens" des Unfallverursachers trete eine mögliche Mithaftung der nicht angeschnallten Beklagten zurück.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zwar hat das OLG die Revision nicht zugelassen, hiergegen kann die Versicherung aber Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

jb/mk/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Köln zur Haftung beim Verkehrsunfall: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55330 (abgerufen am: 06.09.2024 )

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