Das BMAS arbeitet an einem Gesetzentwurf zum Homeoffice für Beschäftigte. Technisch ist das in vielen Fällen schon machbar - arbeitsrechtlich aber gar nicht mal so unproblematisch, zeigt Christian Oberwetter.
In vielen Unternehmen ist die Arbeit im Homeoffice aufgrund individueller Regelungen oder einer Betriebsvereinbarung bereits Realität. Dabei geht es in der Regel aber nicht darum, dass die Beschäftigten als Heimarbeiter ausschließlich von ihrer Wohnung aus Arbeitsleistungen erbringen. Vielmehr wird die Arbeitszeit auf betriebliche und private Räume aufgeteilt, damit Arbeitnehmer ihr Arbeits- und Privatleben besser miteinander vereinbaren können.
Dabei sind aber die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen, also beispielsweise die Arbeit so zu organisieren, dass die Unternehmensziele erreicht werden können. Ein absolutes Recht auf Arbeiten aus dem Homeoffice gibt es daher nicht und wird es auch nicht geben – auch wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aktuell an einem Gesetzentwurf zum Homeoffice für Beschäftigte arbeitet.
Es ändert nämlich nichts daran, dass ein Recht auf Homeoffice sorgfältig mit Fragen des Arbeitsschutzes, der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der grundrechtlich gemäß der Art. 12 und 14 Grundgesetz (GG) geschützten unternehmerischen Freiheit abgewogen werden muss.
Betriebliche Gründe können gegen Homeoffice-Arbeit sprechen
Das BMAS hat bislang noch keinen Gesetzentwurf für das "Recht auf Heimarbeit", wie es medial getauft wurde, vorgelegt. Das Rad wird das Ministerium aber nicht neu erfinden, denn ein solches Vorhaben wird sich mit Sicherheit an bereits vorhandenen Gesetzen orientieren, die den Beschäftigten schon heute Souveränität über ihre Arbeitsgestaltung gewähren.
So ist es zum Beispiel im Teilzeitrecht: Einen Anspruch können formal nicht alle Beschäftigten stellen, sondern nur solche, die schon sechs Monate im Unternehmen sind, das als weitere Voraussetzung auch noch mehr als 15 Beschäftigte haben muss (§ 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz, TzBfG). Materiell muss der Arbeitnehmer seinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber zudem binnen bestimmter Fristen geltend machen. Dabei muss das Unternehmen dem Antrag nur entsprechen, wenn keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. In § 8 TzBfG ist der betriebliche Grund definiert: Ein solcher liegt insbesondere vor, "wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht."
Ähnlich wird es wohl auch beim Gesetzentwurf zum Recht auf Heimarbeit aussehen, sodass Beschäftigte in Kleinbetrieben ebenso außen vor bleiben werden wie Arbeitnehmer in Unternehmen, in denen die Präsenz von Beschäftigten unabdingbar ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wären daher lediglich die Beschäftigten auf Büroarbeitsplätzen als Anspruchsberechtigte denkbar. Im Zeitalter der Industrie 4.0 könnten aber auch Produktionsarbeitsplätze in Zukunft davon profitieren.
Heimarbeit ja – aber in welchem Umfang?
Interessant wird in jedem Fall die Frage, in welchem Umfang aus dem Homeoffice gearbeitet werden darf. Pauschal dürfte gelten: Je mehr Tage pro Woche ein Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeitet, desto eher können betriebliche Gründe dagegen sprechen, wenn etwa notwendige Teamabsprachen oder Einzelbesprechungen für die Tätigkeit notwendig sind.
Dabei wird es auch maßgeblich auf die Organisation des Unternehmens ankommen. Digitalaffine Einheiten und Konzerne nutzen in weitaus größerem Umfang Webkonferenzen und -besprechungen als der klassische Mittelständler. Sie können daher leichter auf den außerbetrieblichen Arbeitsplatz "umschalten".
Ist der Anspruch aufs Homeoffice einmal gewährt, wird mancher Arbeitnehmer auch merken, dass die Tätigkeit am heimischen Schreibtisch nichts für ihn ist. Es wäre daher sinnvoll, in einem Homeoffice-Gesetz auch das Recht auf vollständige Rückkehr in das Unternehmen festzuschreiben.
Ein Notebook am Küchentisch macht noch kein Homeoffice
Neben den genannten Aspekten müssen zudem bereits bestehende Regelungen beachtet werden. Der Arbeitgeber ist nach § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 3 Arbeitsstättenverordnung verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes vorzunehmen. Das heißt, alle Vorgaben bezüglich Bildschirmarbeitsplätzen gelten selbstverständlich auch im Homeoffice. Anders ausgedrückt: Mit dem Notebook am Küchentisch sitzen entspricht nicht den Arbeitsschutzvorgaben. Das heißt auch, dass der Beschäftigte dem Arbeitgeber ein Zutrittsrecht zur Wohnung einräumen muss, damit letzterer seinen Beurteilungspflichten nachkommen kann.
Daneben spielen Fragen der Datensicherheit eine erhebliche Rolle – und zwar nicht nur im Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten im Geiste der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), sondern auch bezüglich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens. Auch die Regelungen zur Erfassung der Arbeitszeit werden bei der Heimarbeit besonders relevant, denn nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) muss zwingend die elfstündige Ruhezeit nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit gemäß § 5 Abs.1 ArbZG eingehalten werden. Wer also gegen 22 Uhr noch für ein paar Stündchen E-Mails beantwortet, darf seine Tätigkeit am nächsten Tag erst gegen 10 Uhr wieder aufnehmen.
Heimarbeit am besten gleich intern klären
Ein Gesetz kann und wird nicht alle zu regelnden Umstände erfassen. Die Tarifparteien und Unternehmen werden die Möglichkeit haben, speziellere Regelungen zu treffen. Eine wichtige Rolle spielt in größeren Unternehmen der Betriebsrat, dem aus § 87 Betriebsverfassungsgesetz ein umfassendes Mitbestimmungsrecht zukommt. Sinnvollerweise werden Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zum Homeoffice abschließen, die auf die Bedürfnisse von Beschäftigten und Unternehmen konkret abgestimmt ist. In betriebsratlosen Betrieben bietet es sich an, dass der Arbeitgeber Richtlinien formuliert, nach denen Homeoffice Arbeitsplätze beansprucht werden, damit der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt bleibt.
Arbeitgeber, die dem Vorhaben des BMAS nun mit Bangen entgegensehen und das nächste Bürokratiemonster fürchten, können bis auf weiteres beruhigt sein. Erstens fließt von der Idee bis zur Verabschiedung eines Gesetzes erfahrungsgemäß noch einiges Wasser die Spree durchs Berliner Regierungsviertel hinunter. Und zweitens spricht in Zeiten des Fachkräftemangels nichts dagegen, Beschäftigten durch die Homeoffice-Möglichkeit einen attraktiven und flexiblen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, ganz ohne, dass der Gesetzgeber Unternehmen dazu zwingt.
Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Berlin und Hamburg.
Gesetzentwurf in Arbeit: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33341 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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