EuG bestätigt Markenschutz für "Winnetou": Shoot-Out in Lux­em­burg

Das HABM hätte die Löschung der Marke "Winnetou" gründlicher prüfen müssen, so das EuG am Freitag. Michael Fammler und Markus Hecht erklären, wie sich die Entscheidung in das Geflecht von Urheber- und Markenschutz einfügt.

Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM, künftig: Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum - EUIPO) muss sich erneut mit dem von Constantin Film gestellten Antrag auf Nichtigerklärung der Marke "Winnetou" befassen. Das entschied das Gericht der Europäischen Union (EuG) am Freitag (Urt. v. 18.03.2016, Az. T-501/13). Das EU-Markenamt hätte dem  Antrag auf Nichtigerklärung der Marke nicht entsprechen dürfen, ohne eigenständig zu beurteilen, ob das Zeichen "Winnetou" für die betreffenden Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter aufweist.

Der "fiktive, edelmütige und gute Indianerhäuptling" Winnetou war schon mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. 14 Jahre vor dem EuG hatte bereits der Bundesgerichtshof (BGH) die Schutzwürdigkeit der Marke in Deutschland beurteilt (Urt. v. 05.12.2002, Az. I ZB 19/00).

Interessanterweise wurde die EU-weit geschützte Gemeinschaftsmarke (künftig: Unionsmarke), über deren Schicksal jetzt durch das EuG entschieden wurde, im Jahr 2002 angemeldet, also kurz vor Abschluss des Winnetou-Verfahrens vor dem BGH. Anders als der BGH hatte das HABM die Marke auch in Bezug auf Bücher und Filme für eintragungsfähig gehalten. Erst ein gegen die Marke gerichteter Löschungsantrag von Constantin Film im Juli 2007 führte dazu, dass sich nun das EuG mit der Schutzfähigkeit von "Winnetou" befassen musste.

Was der BGH 2002 entschied...

Zur Schutzfähigkeit der Marke "Winnetou" hatte der BGH 2002 geurteilt, dass dem Namen einer fiktiven Romanfigur jedenfalls in Bezug auf "Druckereierzeugnisse" und "Filmproduktion" sowie Dienstleistungen im Medienbereich (Klassen 16, 41) jede Unterscheidungskraft fehlt. Dies hatte zuvor auch schon das Bundespatentgericht so gesehen. Das Urteil des BGH war insoweit bemerkenswert, als es aus der Bekanntheit des Namens des Helden der Karl-May-Romane gerade nicht auf eine Verkehrsdurchsetzung des Zeichens schloss, mit der eine fehlende Unterscheidungskraft überwunden werden kann. Das ist seither etablierte Rechtsprechung.

Im Laufe des von Constantin Film angestoßenen Löschungsverfahrens wurde die Markenfähigkeit des Apachen-Häuptlings unterschiedlich bewertet. Während sich die Löschungsabteilung des HABM noch explizit gegen den BGH stellte und die Marke nicht als unmittelbar beschreibende Inhalts- und Beschaffenheitsangabe, sondern vielmehr als schutzfähiges Zeichen ansah, ordnete die Beschwerdekammer des HABM mit Verweis auf die Urteilsbegründung des BGH die fast vollständige Löschung der Marke an.

Wie bereits Jahre zuvor der BGH, hielt die Beschwerdekammer "Winnetou" nicht für einen Herkunftshinweis in Bezug auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern für eine bloße Inhaltsangabe. Die Verbraucher würden (nur) darüber informiert, dass die mit der Marke bezeichneten Bücher/Filme/Merchandiseprodukte einen unmittelbaren Bezug zu der bekannten Romanfigur von Karl May aufweisen. Die Beschwerdekammer versagte "Winnetou" somit die Schutzfähigkeit. Mit Verweis auf die Entscheidung des BGH entsprach das HABM dem Löschungsantrag daher im Ergebnis fast vollständig.

… und warum das vor dem EuG relevant wurde

Diese Entscheidung des EU-Markenamts hat das EuG in seinem am Freitag gefällten Urteil aufgehoben. Das Amt hätte, so das EuG, dem Antrag auf Nichtigerklärung der Marke nicht entsprechen dürfen, ohne eigenständig zu beurteilen, ob das Zeichen "Winnetou" für die betreffenden Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter aufweist. Die Entscheidung des BGH aus 2002, wonach das Zeichen beschreibend und daher nicht als Marke schutzfähig sei, hätte das EU-Markenamt für die Bestimmung des Verkehrsverständnisses nicht einfach als zwingend ansehen dürfen.

Auch könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass "Winnetou" über die Bezeichnung als Romanfigur hinaus ganz allgemein als Synonym für einen "Indianer" oder "Indianerhäuptling" verstanden werde. Das Amt habe daher nicht hinreichend überprüft, ob das Zeichen "Winnetou" im Hinblick auf die verschiedenen durch die Marke geschützten Waren und Dienstleistungen von den Verbrauchern allein so verstanden werde, dass es sich um Winnetou-Produkte handelt. Vielmehr sei es denkbar, dass die Verbraucher das Zeichen auch als Herkunftshinweis ansehen. Das Markenamt muss nun unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuG neu über den Löschungsantrag entscheiden. Vorerst bleibt die Marke "Winnetou" also weiterhin geschützt.

"Winnetou" bleibt gemeinfrei – mehr oder weniger

Das bedeutet freilich nicht, dass der Karl-May-Verlag als Inhaber der "Winnetou"-Marke nun gegen Nachdrucke des gleichnamigen Westernklassikers vorgehen könnte. Denn der Urheberrechtsschutz an den Winnetou-Romanen ist bereits 1963 abgelaufen und die Werke sind damit gemeinfrei geworden. Zwar entschied der BGH im Jahr 2003 (Urt. v. 23.01.2003, Az. I ZR 171/00 – "Winnetous Rückkehr"), dass der kennzeichenrechtliche Schutz eines Werktitels auch dann fortbesteht, wenn das Werk inzwischen selbst den Urheberrechtsschutz verloren hat. Der Gemeinfreiheit, also der freien Verfügbarkeit der Winnetou-Romane, steht dieses Urteil aber richtigerweise nicht entgegen.

Denn der auf Verwechslungsgefahr beschränkte Werktitelschutz verbietet lediglich die Verwendung des Werktitels für andere als das gemeinfrei gewordene Werk. Nachdrucke der Winnetou-Romane können daher ohne Weiteres mit "Winnetou" überschrieben werden. Anders soll dies aber etwa bei einer Neuverfilmung des Westernklassikers sein, wenn dort das Leben des Romanhelden abweichend von der Originalfassung geschildert wird; so zumindest das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urt. v. 23.12.2015, Az. HK O 1164/15) in einer kürzlich ergangenen, aber noch nicht rechtskräftigen Entscheidung zu einer von dem Fernsehsender RTL geplanten Neuverfilmung der Romane.

Auch die "Winnetou"-Marke steht der Verbreitung des Werks durch andere als den Karl-May-Verlag nicht entgegen. In der Praxis lässt sich weder über den Werktitelschutz noch über den Markenschutz das abgelaufene Urheberrecht aushebeln, da der Romantitel "Winnetou" regelmäßig nicht als markenrechtlicher Herkunftshinweis aufgefasst werden dürfte, sondern aus Sicht der Verbraucher allein der Werkunterscheidung dient.

Vorsicht ist bei der Verwendung von "Winnetou" aber dennoch geboten, das zeigt schon die Anzahl an Gerichtsverfahren, die im Namen des Indianerhäuptlings geführt wurden.

Die Autoren Dr. Michael Fammler (Partner) und Markus Hecht (Associate) sind Rechtsanwälte im Bereich des Gewerblichen Rechtschutzes bei Baker & McKenzie.

Zitiervorschlag

Michael Fammler und Markus Hecht, EuG bestätigt Markenschutz für "Winnetou": . In: Legal Tribune Online, 21.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18855 (abgerufen am: 03.11.2024 )

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