Das Bundesverwaltungsgericht hat heute die Revision von Mitgliedern des Bandidos MC zurückgewiesen, die sich gegen den Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse allein wegen ihrer Mitgliedschaft in der Rockervereinigung gewandt hatten. Florian Albrecht meint, dass die Jubelrufe aus den Innenministerien fehl am Platz sind.
Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Rechtsprechung insbesondere des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München gebilligt. Diesem genügt die Mitgliedschaft in einem Motorradclub, der seitens der Polizeibehörden als "Outlaw Motorcycle Gang" stigmatisiert wird, um einen Unzuverlässigkeitsgrund gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a und c Waffengesetz (WaffG) zu erkennen. Nach den Vorschriften kann einer Person keine waffenrechtliche Erlaubnis erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die Waffen missbräuchlich verwenden oder unberechtigten Dritten überlassen wird.
Der VGH München stellt insoweit fest, dass Personen, die für bestimmte Motorradclubs (namentlich den Hells Angels MC, Bandidos MC, Outlaws MC, Gremium MC oder Mongols MC) in hervorgehobener Position tätig sind, sich in einem Milieu bewegen, das sie pauschal unzuverlässig im waffenrechtlichen Sinne macht. Das soll auch dann gelten, wenn sie und der von ihnen repräsentierte Verein strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind.
Die für eine solche Feststellung gesetzlich geforderte Tatsachenbasis schöpft das Gericht aus Wikipediaeinträgen und Behördeninformationen, insbesondere dem Verfassungsschutzbericht des Freistaates Bayern. Anstatt selbst zu prüfen, folgt es unkritisch den Angaben der Exekutive. Ausgeblendet wird hierbei, dass spätestens seit der Veröffentlichung der aus dem Jahr 2010 stammenden polizeilichen "Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität" von einer objektiven Behördensicht nicht mehr die Rede sein kann.
Outlaw Motorcycle Gangs stehen der organisierten Kriminalität nahe
Indem das Gericht hinsichtlich sämtlicher Vereine der genannten Rockergruppierungen eine Zuordnung zum Politschlagwort Organisierte Kriminalität vornimmt und entgegenstehende Erkenntnisse der Wissenschaft völlig ausblendet, folgt es der politisch initiierten, diskriminierenden und stigmatisierenden polizeilichen Praxis, die sich nicht zuletzt auch der Beherrschung des in den Medien und der Öffentlichkeit gezeigten Bildes von Rockergruppierungen verschrieben hat.
Dass das Bundesverwaltungsgericht der pauschalen Betrachtungsweise des VGH nicht ohne juristisches Unbehagen gefolgt ist, lässt die Pressemitteilung zu den entschiedenen Fällen erkennen. Sie betont mehrfach, dass das Gericht hinsichtlich der durch die Vorinstanz festgestellten Gefährlichkeit der betroffenen Vereinsmitglieder keine Korrekturmöglichkeit gesehen habe. Die Richter verweisen insoweit auf § 137 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach eine Bindungswirkung bezüglich der einem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen besteht. Mittels der Vorschrift soll der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts und der Beweismittel Respekt erwiesen werden.
Dass der VGH diesen Respekt nicht verdient, zeigt die seinen Entscheidung zugrundeliegende Tendenz, Ansichten und Grundhaltungen über die persönliche Lebensführung unter "Verwaltungsstrafe" zu stellen. Wer sich in einem sehr weit zu definierenden Milieu oder sozialen Umfeld bewegt, in dem Überzeugungen und Grundhaltungen geteilt werden, die nicht dem Mainstream entsprechen, gilt dem Gericht bereits als "unzuverlässig". Mitglieder von Rockergruppierungen werden durch Zuschreibungen von Verfassungsschutz und Polizei aus der Gesellschaft exkludiert und als Feind definiert. Der Anschluss der Verwaltungspraxis an die Mitgliedschaft in einer zuvor von staatlichen Stellen näher definierten Gruppe ist mit der durch das Grundgesetz geforderten individuellen Betrachtungsweise schwerlich vereinbar.
Andere Sichtweisen bleiben möglich
Gut ins Bild passt in diesem Zusammenhang auch die kurz nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte Erklärung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, in Zukunft grundsätzlichen allen Mitgliedern relevanter Rockervereine keine waffenrechtlichen Erlaubnisse mehr aussprechen zu wollen. Herrmann verkennt in durchschaubarer Absicht die Begrenztheit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn er darauf hinweist, dass künftig bundesweit eine einheitliche Rechtslage gälte.
Dem ist nicht so. Die vom Bundesverwaltungsgericht selbst unterstrichene Bindung an tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz kann in der Praxis zu dem Ergebnis führen, dass unterschiedliche rechtliche Einschätzungen gleichermaßen unbeanstandet bleiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich ein Gericht nicht von den seitens der Behörden mit einseitiger Blickrichtung vorgelegten, selten belastbaren Informationen über die Gefährlichkeit aller Rockervereine beeinflussen lässt und in eine dem Einzelfall gerecht werdende, vertiefte und ergebnisoffene Prüfung eintritt. Dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat, in dem das juristische Ergebnis nicht der politischen Erwartung zu entsprechen hat, wäre hierdurch gedient.
Der Autor Florian Albrecht ist Rechtsanwalt und Akademischer Rat a. Z. an der Universität Passau. Er forscht seit vielen Jahren zur Rockerkriminalität und ist Herausgeber und Autor des am 24. Juni 2014 im Beck Verlag erschienenen Kommentars zum Vereinsgesetz.
Florian Albrecht, BVerwG zu Waffenbesitz bei Rockervereinen: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14514 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag