Tödliche Messerattacke in Solingen: Ver­schär­fungen des Asyl- und Sicher­heits­rechts gefor­dert

26.08.2024

Ein ausreisepflichtiger Syrer soll den Messerangriff verübt haben. Vor den Landtagswahlen in Thüringen mehren sich die Forderungen nach schärferen Regeln in der Asylpolitik. Donnerstag findet eine Sondersitzung im Landtag NRW statt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Tatort des Messerangriffs von Solingen eine weiße Rose niedergelegt. Das Gleiche taten der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne), NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD). Danach verharrten sie kurz mit gefalteten Händen. Anschließend gingen sie weiter zu einem Gespräch mit Einsatzkräften von Feuerwehr und Rettungsdiensten.

Bei einem Straßenfest in der Stadt im Bergischen Land waren drei Menschen getötet und acht Menschen verletzt worden, vier davon schwer. Ein 26-jähriger tatverdächtiger Syrer sitzt seit Sonntagabend in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Terrormiliz reklamierte den Anschlag für sich und veröffentlichte am Sonntag ein Video, das den Täter zeigen soll. Wann das Video aufgenommen wurde und ob es sich tatsächlich um den Täter handelt, ist bislang nicht zweifelsfrei geklärt.

Nach dem tödlichen Messerangriff werden Forderungen nach härteren Abschieberegeln und einem strengeren Waffenrecht lauter. Zugleich wird Aufklärung verlangt, weshalb die Behörden im vergangenen Jahr mit dem Versuch scheiterten, den syrischen Asylbewerber abzuschieben, der so überhaupt erst den Anschlag am Freitagabend verüben konnte. Für Donnerstag ist eine Sondersitzung des Innen- und Integrationsausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag geplant.

Aufarbeitung in Behörden gefordert

Wie der Spiegel berichtete, kam der Verdächtige Ende 2022 nach Deutschland und stellte einen Antrag auf Asyl. Den Sicherheitsbehörden war er demnach bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt. Diese Informationen wurden der dpa bestätigt. Der Asylantrag des Tatverdächtigen wurde demnach abgelehnt. Deshalb sollte er im vergangenen Jahr nach Bulgarien überstellt werden. Über das Land war er in die Europäische Union eingereist. Da er zwischenzeitlich allerdings in Deutschland “abgetaucht” sei, sei die Maßnahme gescheitert, schrieb die Welt

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wüst fordert eine Aufarbeitung auch innerhalb der Behörden. "Da gibt es eine Menge Fragen. Es sind auch eine Menge Behörden involviert. Das muss aufgeklärt werden, und da muss Klartext gesprochen werden, wenn da etwas schiefgelaufen ist", sagte er in der "Aktuellen Stunde" im WDR Fernsehen.

NRW-Innenminister Reul sagte in der ARD-Sendung "Caren Miosga", untergetaucht im rechtlichen Sinne sei der mutmaßliche Attentäter nicht. Denn er sei an dem Tag, an dem er abgeholt werden sollte, schlicht nicht dagewesen. "Ansonsten war er immer und häufig in dieser Einrichtung", so Reul. Er stelle sich auch viele Fragen, ob diese Verfahren richtig sind, ausreichend sind, übertrieben sind, sagte Reul. 

Nach einer Übersicht des Verfassungsschutzes wäre die Tat in Solingen der folgenschwerste aus mutmaßlich islamistischen Motiven begangene Anschlag in Deutschland seit dem Angriff auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 2016 mit damals 13 Toten und 64 Verletzten. 

Merz: Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan 

Eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen verschärfte CDU-Chef Friedrich Merz den Ton gegenüber Kanzler Scholz und forderte einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in Deutschland. Im ARD-Brennpunkt sagte Merz: "Wenn Solingen jetzt für die Koalition nicht der Wendepunkt ist, dann weiß ich nicht, was noch passieren muss, damit hier einige Leute endlich mal zur Besinnung kommen."

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) sprach sich für Grenzschließungen aus, um irreguläre Migration zu stoppen. Der Rheinischen Post (Montag) sagte er: "Es kommen seit Jahren jeden Tag hunderte junge Männer aus Syrien und Afghanistan nach Deutschland und Europa. Das muss endlich enden."

Scholz hatte bereits im Juni nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Ob Abschiebungen nach Afghanistan möglich sind, darüber sind sich die Oberverwaltungsgerichte derzeit uneins.

Auch nach dem Anschlag von Solingen sagte der Bundeskanzler, er wolle Abschiebungen "notfalls mit rechtlichen Regelungen" weiter beschleunigen. Nötig sei zugleich aber eine "konsequente, praktische Vollzugstätigkeit", so der SPD-Politiker. Abschiebungen von Dublin-Fällen, die sich zuerst in anderen Ländern Europas aufhielten, müssten vorangebracht werden. "Da wird es sicherlich sinnvoll sein, eine Taskforce zu etablieren, die das genau studiert", sagte Scholz.

Steinmeier: Mehr Personal für Sicherheitsbehörden

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in der ARD, der Polizei müssten mehr Möglichkeiten für Kontrollen gegeben werden. 

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach eine Ausweitung von Befugnissen der Sicherheitsbehörden an. Zu einem besseren Schutz vor Angriffen "gehört auch, dass die Sicherheitsbehörden mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet werden", sagte er im ZDF-Sommerinterview. Steinmeier forderte mehr Personal für die Sicherheitsbehörden. Bei terroristischer Gefahr sei aber auch eine Ausweitung der Befugnisse etwa des Bundeskriminalamts denkbar. 

Verhandlungen über Anpassungen des Waffenrechts

Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte zudem Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an. Bisher hat die FDP Vorschläge von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu schärferen Regeln und Verboten abgelehnt. Faeser hatte unter anderem gefordert, dass Messer in der Öffentlichkeit nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser solle es ein generelles Umgangsverbot geben, so Faeser.

Auch Bundeskanzler Scholz hat nach der Messerattacke von Solingen eine Verschärfung des Waffenrechts gefordert, insbesondere in Bezug auf das Verwenden von Messern. “Das soll und das wird jetzt auch ganz schnell passieren”, so Scholz.

Über eine Verschärfung des Waffenrechts war auch nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim diskutiert worden. In seinem Gastbeitrag für LTO führte Prof. Dr. Thomas Fischer aus, er befürworte ein allgemeines Messerverbot, halte es aber für völlig unrealistisch.

dpa/fkr/tap/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Tödliche Messerattacke in Solingen: . In: Legal Tribune Online, 26.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55269 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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