Nach Terroranschlag in Solingen: Bun­des­re­gie­rung einigt sich auf "Sicher­heits­paket"

29.08.2024

Nach dem Anschlag in Solingen plant die Ampel schärfere Maßnahmen: Asylbewerber, deren Antrag in einem anderen Land liegt, sollen keine Sozialleistungen mehr erhalten. Abschiebungen sollen beschleunigt und das Waffenrecht verschärft werden.

Die Ampel-Koalition hat sich nach den Worten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf "weitreichende Maßnahmen" als Reaktion auf den Terroranschlag von Solingen geeinigt. Es handele sich um ein "ordentliches Paket", sagte die SPD-Politikerin bei der Vorstellung der Maßnahmen in Berlin. Dazu gehören unter anderem Verschärfungen beim Waffenrecht.

Bei einem Straßenfest in Solingen wurden vor wenigen Tagen drei Menschen getötet und acht Menschen verletzt, vier davon schwer. Ein 26-jähriger tatverdächtiger Syrer sitzt seit Sonntagabend in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Terrormiliz reklamierte den Anschlag für sich und veröffentlichte am Sonntag ein Video, das den Täter zeigen soll.

Nach diesem tödlichen Angriff wurden Forderungen nach härteren Abschieberegeln und einem strengeren Waffenrecht lauter. In Reaktion auf den islamistischen Terrorangriff von Solingen hat sich die Bundesregierung nun auf ein sicherheitspolitisches Maßnahmenpaket verständigt. "Unser Staat wird auf diesen Akt des islamistischen Terrors mit der notwendigen Härte antworten", heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI), Bundesministerium der Justiz (BMJ) und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Waffenrecht wird verschärft, Kontrollrecht für Bundespolizei

So wird es künftig ein generelles Umgangsverbot für gefährliche Springmesser geben. Bei Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen wird ein absolutes Messerverbot eingeführt. Gastronomie, Verkaufsstände auf Märkten oder Schausteller würden hiervon allerdings ausgenommen.

Zusätzlich werden die Länder ermächtigt, absolute Messerverbote im öffentlichen Personenverkehr und an kriminalitätsbelasteten Orten wie etwa an betroffenen Bahnhöfen einzuführen. Aktuell sind die Länder nur ermächtigt, an diesen Orten Verbote für Messer mit einer Klingenlänge von mehr als vier Zentimetern zu erlassen.

Durch eine Änderung des Bundespolizeigesetzes (BPolG) erhält die Bundespolizei darüber hinaus die Befugnis, stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Nach geltender Rechtslage kann die Bundespolizei derzeit nach § 43 i.V.m. § 23 BPolG solche Kontrollen beziehungsweise Durchsuchungen nur durchführen, wenn Anhaltspunkte gegeben sind, dass die Person Straftaten begehen wird.

Streichung von Leistungen für bestimmte Asylbewerber

Die Ampel-Regierung einigte sich zudem auf die Streichung von Leistungen für bestimmte Asylbewerber. Dabei geht es um Migranten, für die ein anderer europäischer Staat zuständig wäre, der der Rücknahme zugestimmt hat. Damit soll der Druck zur Ausreise erhöht werden. Faeser betonte aber auch: "In Deutschland wird niemand verhungern und auch nicht auf der Straße schlafen." Leistungen in Deutschland sollten Betroffene dann aber nicht mehr erhalten – dafür sei dann das Zielland zuständig.

Menschen sollen künftig einfacher ausgewiesen werden können, wenn sie eine Straftat mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug begangen haben. Zudem sollen Migranten künftig leichter vom Schutz in Deutschland ausgeschlossen werden können, wenn sie Straftaten begangen haben. "Zukünftig können auch die Schleusungsstrafbarkeit und Straftaten mit einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen, gegen die sexuelle Orientierung gerichteten oder sonstigen menschenverachtenden Beweggrund zum Ausschluss von der Schutzberechtigung führen", steht im Papier.

Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll zudem nach Möglichkeiten suchen, das Dublin-Verfahren zu verbessern, also die Regelungen zur Abschiebung von Asylsuchenden in andere europäische Staaten, die für sie zuständig sind. Das hatte beim mutmaßlichen Attentäter von Solingen nicht geklappt. Der Mann hätte eigentlich längst nach Bulgarien abgeschoben werden sollen.

Wer ohne einen triftigen Grund in sein Heimatland zurückkehrt, soll den Schutz in Deutschland verlieren, beispielsweise bei Urlaubsreisen. Eine Rückkehr etwa zu einer Beerdigung solle aber möglich sein, erklärte die Staatssekretärin Anja Hajduk aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Geflüchtete aus der Ukraine sind davon ausgenommen.

Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden

Die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Islamismus sollen ausgeweitet werden. Ermittlungsbehörden sollen künftig öffentlich zugängliche Bilder biometrisch mit den Fotos von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen abgleichen dürfen. Das für Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration (Bamf) soll das ebenfalls dürfen, um die Identität Schutzsuchender zu überprüfen.

Eine neue Taskforce Islamismusprävention, deren Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis kommen soll, soll die Bundesregierung in Zukunft beraten. Das Instrument des Vereinsverbots soll gegen islamistische Vereine weiter genutzt werden.

Buschmann nennt Paket sinnvoll und nützlich

Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einem sinnvollen und nützlichen Paket, um die Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern und bei der Migration eine noch verschärfte Realpolitik durchzuführen.

Die Arbeit an dem Maßnahmenpaket hatte bereits am Wochenende nach dem Anschlag begonnen. Es solle nun so schnell wie möglich umgesetzt werden, sagte Faeser – jedenfalls nicht erst im nächsten Jahr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zudem am Mittwoch Gespräche mit den Ländern und der Union als größter Oppositionskraft angekündigt. Eine Arbeitsgruppe, der Vertreter aller drei Ampel-Parteien angehören, soll nächste Woche erstmals zusammenkommen.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein, sagte die Teilnahme seines Innenministers Roman Poseck (beide CDU) kurz vor der Vorstellung des Sicherheitspakets zwar zu. Gleichzeitig machte er aber klar, dass er den Vorstoß skeptisch sieht. "Wir brauchen jetzt kein Brainstorming mit der Bundesregierung, sondern die Bundesregierung braucht die Bereitschaft zum Schlussstrich. Wir brauchen eine Zeitenwende in der Migrationspolitik – und zwar jetzt", sagte Rhein der Deutschen Presse-Agentur. Er forderte unter anderem die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union, mehr sichere Herkunftsstaaten und den Entzug der Staatsbürgerschaft für Straftäter und Gefährder.

dpa/xp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Nach Terroranschlag in Solingen: . In: Legal Tribune Online, 29.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55302 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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