Niederschläge vor Gericht: Regen­recht für Anfänger

von Martin Rath

19.06.2016

2/2: Regen mordet sogar Forellen im Wald

Kein Wunder, dass sich heute so viele Menschen in die heile Welt der 1950er Jahre zurücksehnen: Kaum dass sich die Ära Adenauer ihrem Ende zuneigte, spielte auch das Wetter verrückt. Starkregen bereits im Juni 1961 dokumentiert das BGH-Urteil vom 29. April 1966 (V ZR 147/63): Forellen in einem sauerländischen Teich waren ihm zum Opfer gefallen, nachdem der Dauerregen aus dem Lehm eines benachbarten Grundstücks Eisendisulfit herausgelöst hatte, das sich schließlich in freie Schwefelsäure umwandelte und den Fischbestand dahinscheiden ließ.

Dieses BGH-Urteil enthält so wunderbare Verwicklungen zwischen dem Deliktsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und polizeirechtlichen Normen des Preußischen Wassergesetzes von 1913, dass Jurastudenten daran bestens ihren Verstand schärfen könnten – zuhause bleiben dürfen sie beim derzeitigen Wetter ja ohnehin.

Dauerregen für Schärfentiefeschärfer

Das Schlimme am Stark- und Dauerregen ist: Selbst wer sich sehenden Auges hineinbegibt, ist ihm hilflos ausgeliefert. Ein Beispiel hierzu gibt das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Dezember 1999 (Az. 16 U 66/99). Überaus vollmundig hatte ein Reiseveranstalter eine Fotografie-Wanderung über die Hänge des Kilimandscharo angeboten, die Ausführung dort aber wegen starken Regens unterlassen.

Die Blauäugigkeit dieses Sachverhalts ist merkwürdig: Hobbyfotografen übertragen notorisch ihre fast manische Rechthaberei - zu erkennen etwa im Streit darum, ob es "Schärfentiefe" oder "Tiefenschärfe" heißt - auf die Frage, wie ihre empfindliche Kamera-Ausrüstung auf Reisen am besten vor Witterungseinflüssen zu schützen sei.

Das OLG Frankfurt billigte den Kilimandscharo-Reisenden trotzdem zu, von den Wetterunbilden keine Ahnung gehabt zu haben und böse auf die vollmundigen Versprechungen des Veranstalters hereingefallen zu sein. Er musste ihnen jeweils eine ordentliche Summe von damals noch 4.399 Deutsche Mark zahlen, weil aus der Kilimandscharo-Überschreitung wegen schlechten Wetters nichts geworden war.

Strauß im Wasser Niedersachsens

Tröstlich zum Schluss: Alles menschliche Leid angesichts von Stark- und Dauerregen verblasst mit Blick auf eine niedersächsische Verwaltungsvorschrift unter dem kryptischen Kürzel "StraußHRdErl, Nl". In diesen "Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln, außer Kiwis" widmete sich das Land Niedersachsen – sonst eher als Schicksalsstätte von Millionen Hausschweinen auf ihrem Weg in die Kühltheken Europas bekannt – dem Leben der afrikanischen Laufvögel zwischen Elbe und Weser.

Den Haltern vorzugeben seien danach Sandböden, die auch bei Dauerregen von Stauwasser frei bleiben sollen, sowie Ställe, in denen die Vögel, auf trockenen, rutschfesten und trittsicheren Böden stehend ihr Gefieder bei nicht mehr als 60 Prozent Luftfeuchte trocknen können.
Dieses Zeugnis vom Glauben des Gesetzgebers an die Kraft des Normativen ist anrührend, doch wo findet sich denn für Menschen heutzutage so viel regenfreier Raum in Deutschland – vom freilaufenden Straußenvogel ganz zu schweigen?

Postscriptum: "Gürteltier" ist eine scherzhafte Bezeichnung für Aktenberge, die in deutschen Behörden, zusammengehalten von starken Bändern, durch die Flure geschoben werden.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Niederschläge vor Gericht: . In: Legal Tribune Online, 19.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19711 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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