Wie Gerichte dem NS-Staat dienten
"Das Kölner Beispiel zeigt […] eindrucksvoll, dass bei Vorliegen entsprechender politischer und ideologischer Rahmenbedingungen bereits ein zentral vorgegebener grob abgesteckter allgemeiner Handlungsrahmen ausreicht, um zum lokalen Selbstläufer zu mutieren und dort eine weitgehend regimekonforme Strafrechtspraxis zu etablieren."
In seiner Bonner Dissertation porträtiert Thomas Bichat die Kölner Staatsanwaltschaft der Jahre 1933 bis 1945. Von den berüchtigten "Richterbriefen" als zentralem Steuerungsmittel der NS-Justiz hat man gehört, aber wie kamen die Lenkungsversuche aus Berlin in der rheinischen Provinzstadt Köln an? Und bedurfte es ihrer überhaupt oder genügte die viel zitierte Ideologieanfälligkeit der Juristen?
Die Rechts-, Justiz- und Behördengeschichte des NS-Staats wird nach wie vor in vielen Detailstudien aufgearbeitet, gerade in Bonn wird hier viel geleistet. Zugegeben, dem nicht fachhistorisch interessierten Publikum mag sich ihr Sinn nicht immer erschließen. Wie spannend wäre stattdessen zum Beispiel eine Studie zum politischen Einfluss auf die Staatsanwaltschaft Bonn von 1949 bis 1999? Oder eine zur Rechts- und Behördengeschichte Sachsens nach 1990?
Seien wir froh, dass viele Akten erhalten geblieben sind und man sich ihrer rechtshistorisch annimmt. Es könnte gut sein, dass die Rechts- und Staatspraxis nach 1945 niemals so gut erschlossen wird. Das soll keine Gleichsetzung sein, mehr der Hinweis darauf, dass man Behördengeschichte/-soziologie greifen sollte, wo man sie nur bekommt:
Thomas Bichat: "Die Staatsanwaltschaft als rechts- und kriminalpolitische Steuerungsinstanz im NS-Regime. Dargestellt am Beispiel des Kölner Sondergerichts von 1933-1945". Dissertation Bonn 2015, Baden-Baden (Nomos) 2016.
Martin Rath, Acht spannende Dissertationen zu Rechtsthemen: . In: Legal Tribune Online, 17.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20026 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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