Völkermordvorwurf gegen Israel: Süd­a­frika begründet Klage vor dem IGH

11.01.2024

Südafrika wirft Israel Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vor und fordert ein sofortiges Ende aller militärischen Operationen. Im Eilverfahren vor dem IGH durfte zunächst Südafrika seine Position darlegen.

Begleitet von Demonstrationen hat vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) die Anhörung zum Völkermordvorwurf gegenüber Israel begonnen. Zum ersten Mal muss sich Israel der Klage Südafrikas zum Gaza-Krieg stellen. Die Rechtsvertreter Südafrikas werfen Israel Völkermord an den Palästinensern vor und haben Klage nebst Eilantrag angestrengt. Im Eilverfahren solle der IGH Israel verpflichten, die militärischen Handlungen im Gazastreifen sofort einzustellen.

Die Rechtsvertreter Südafrikas schilderten in der Anhörung am Donnerstag Beispiele der militärischen Gewalt sowie Äußerungen israelischer Politiker und Militärs in den vergangenen rund drei Monaten. Dies sei mit der "Absicht des Völkermordes" geschehen, hieß es. Zur Untermauerung des Völkermordvorwurfs zeigten die Vertreter Südafrikas auch Fotos und Videos aus Gaza. Ein Video zeigte israelische Soldaten, die sangen, tanzten und Parolen wie "Möge Gaza ausgelöscht werden, es gibt keine unbeteiligten Zivilisten" schrien.

Südafrika hatte die Klage Ende Dezember 2023 eingereicht. Israel wird am Freitag seine Position darlegen können. Es weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück.

Südafrika: "Kein bewaffneter Angriff rechtfertigt Verletzung der Völkermordkonvention"

Südafrika beruft sich auf die UN-Völkermordkonvention, die auch Israel unterzeichnet hat. Nach Art. II der Konvention ist Völkermord eine Handlung, "die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören". Südafrika wirft Israel vor, die Zerstörung des palästinensischen Lebens anzustreben.

Es verurteilte die Angriffe der Terrororganisation Hamas auf Israelis vom 7. Oktober. "Aber kein bewaffneter Angriff ist eine Rechtfertigung für die Verletzung der Völkermordkonvention", sagte Justizminister Ronald Lamola bei der Anhörung. Er sprach von einer "Politik der Apartheid gegen Palästinenser seit etwa 76 Jahren".

Netanjahu: "Israel kämpft gegen die Hamas, nicht gegen die palästinensische Bevölkerung"

Israel dagegen steht auf dem Standpunkt, es handele in Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 der UN-Charta. Bei dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 waren rund 1.200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden, von denen bislang etwa die Hälfte wieder freigelassen wurde.

"Israel kämpft gegen Hamas-Terroristen, nicht gegen die palästinensische Bevölkerung, und wir tun dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht", hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kurz vor Beginn der Anhörung gesagt.

Israels Außenministerium sieht in dem von Südafrika gegen das Land angestrengten Völkermord-Verfahren das "größte Schauspiel der Heuchelei in der Geschichte". Ministeriumssprecher Lior Haiat schrieb am Donnerstag auf X: "Südafrika hat die Realität in Gaza im Gefolge des Massakers am 7. Oktober krass entstellt." Es ignoriere die Tatsache, dass Hamas-Terroristen auf israelischem Boden Israelis ermordet, massakriert, vergewaltigt und entführt haben, "allein weil sie Israelis waren". Dies stelle den Versuch eines Genozids dar.

Auch die USA, das Vereinigte Königreich und die Bundesregierung sehen keinerlei Grundlage für die Klage. Der britische Premierminister Rishi Sunak hält die Klage für "komplett unberechtigt und falsch". Das sagte der Sprecher des konservativen Regierungschefs am Donnerstag vor Journalisten in London.

Wie es weitergeht

Vor dem Friedenspalast, dem Sitz des Gerichtshofes, hatten sich am Donnerstag einige Hundert Anhänger der Palästinenser versammelt. Zugleich zogen auch mehrere Hundert Unterstützer Israels vor das Gericht und erinnerten an die Opfer der Gewalt von Hamas.

Eine Entscheidung des IGH, zunächst nur über den Eilantrag, wird in den nächsten Wochen erwartet. Das Verfahren in der Hauptsache kann sich dagegen über Jahre hinziehen. Entscheidungen des IGH sind bindend, allerdings kann dieser sie nicht selbst durchsetzen, sondern nur den UN-Sicherheitsrat anrufen. Eine einstweilige Anordnung des IGH würde aber den internationalen Druck auf Israel erhöhen.

dpa/fkr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Völkermordvorwurf gegen Israel: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53615 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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