Internationaler Strafgerichtshof: Unter­su­chung gegen Che­f­an­kläger wegen mut­maß­li­cher Über­griffe

12.11.2024

Der ICC steht unter Druck wegen Ermittlungen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg. Jetzt wird gegen Ankläger Khan eine Untersuchung eingeleitet - wegen einer Meldung über sexuelle Belästigung.

Gegen den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH/ICC), Karim Khan, wird eine unabhängige Untersuchung wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung eingeleitet. Das teilte die Präsidentin der Vertragsstaatenkonferenz für den IStGH, Päivi Kaukoranta, am Montag in Den Haag mit. Eine unabhängige Instanz werde Vorwürfe prüfen, um eine "unabhängiges, unparteiisches und faires Verfahren zu gewährleisten". Es soll eine externe Untersuchung geben. Zuvor hatte Reuters berichtet.

Bereits im Oktober war bekanntgeworden, dass eine Meldung über sexuelle Übergriffe eingegangen war. Die Meldung stammte demnach von einer dritten Person, die von den mutmaßlichen Vorkommnissen Kenntnis gehabt haben will. Das vermeintliche Opfer, eine Mitarbeiterin Khans bei der Anklagebehörde, hatte den Angaben zufolge eine Untersuchung der Vertrauensstelle des Gerichts abgelehnt und sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Daraufhin war die Untersuchung zunächst eingestellt worden.

Khan weist Vorwürfe zurück und will im Amt bleiben

Wie The Guardian berichtet, geht es konkret um ungewollte sexuelle Berührungen und Machtmissbrauch über einen längeren Zeitraum. Die britische Zeitung beruft sich insoweit auch auf mehrere anonyme Zeugen aus dem Gericht und dessen Umfeld, die entsprechende Vorfälle bestätigt hätten. In einem Fall soll Khan die betroffene Frau mit seiner Zunge an deren Ohr berührt haben.

Gegenüber The Guardian erklärten Khans Anwälte am Montag, er bestreite alle Vorwürfe. Khan selbst äußerte, er begrüße die Gelegenheit, sich an der Untersuchung zu beteiligen. Obwohl dem Bericht zufolge mehrere seiner Mitarbeiter zuletzt darauf gedrängt hätten, dass Khan sich bis zum Abschluss einer solchen externen Untersuchung beurlauben lasse, hält er an seinem Amt fest. Alle Fragen im Zusammenhang mit der Untersuchung würden durch ihm nicht unterstellte Mitarbeiter der Anklagebehörde behandelt, so Khan gegenüber The Guardian. Khan weiter: "Ich werde alle anderen Funktionen als Ankläger im Einklang mit meinem Mandat weiterführen."

Auch im Oktober hatte er die Vorwürfe bereits als haltlos zurückgewiesen und versichert, dass er an einer Untersuchung mitarbeiten werde. Er hatte erklärt, in seiner 30-jährigen Berufstätigkeit seien nie ähnliche Vorwürfe gegen ihn erhoben worden. Khan hatte auch einen Bezug hergestellt zu seinem Antrag auf Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. "Dies ist ein Moment, in dem ich und der Internationale Strafgerichtshof Ziel von zahlreichen Angriffen und Drohungen sind", erklärte er damals. Wenngleich bei hochrangigen Mitarbeitern der Ankagebehörde die Sorge darüber besteht, dass Israel die Vorwürfe gegen Khan ausnutzen könnte, gibt es laut The Guardian auch Bedenken zum zögerlichen Umgang Khans mit den Vorwürfen. 

ICC-Anklagebehörde unter Druck

Der ICC und insbesondere der Chefankläger stehen wegen der Anträge auf Haftbefehle gegen Netanjahu und auch die Führung der Terrororganisation Hamas seit Monaten unter starkem internationalen Druck. Die zuständige Vorverfahrenskammer hat immer noch nicht über die Anträge entschieden.

In der Zwischenzeit hat Israel längst Fakten geschaffen: alle drei palästinensische Beschuldigte wurden im Rahmen des bewaffneten Konflikts eliminiert und der auf israelischer Seite beschuldigte Verteidigungsminister, Yoav Gallant, wurde nach längerem Streit inzwischen entlassen.

Khan hatte Israel im Dezember 2023, knapp zwei Monate nach den von der Hamas verübten Terroraktionen gegen Israel vom 7. Oktober 2023, besucht und dort noch durchaus anerkennend gesagt, Israel habe ein "robustes System, das die Einhaltung des internationalen humanitären Rechtes garantieren soll". Umso größer war die Verwunderung und Verärgerung auf israelischer Seite über die Haftbefehlsanträge, LTO berichtete dazu hier.

Israel betont insoweit insbesondere den Komplementaritätsgrundsatz, wonach der ICC gemäß Art. 17 Rom-Statut nur zuständig ist, wenn Verbrechen nicht bereits in einem Staat verfolgt werden, der für die Verfolgung zuständig wäre. Ende Mai hatte Gali Baharav-Miara, israelische Generalstaatsanwältin und gewiss keine Netanyahu-Freundin, den Chefankläger Khan diesbezüglich scharf kritisiert. Auch methodisch riefen die Haftbefehlsanträge Kritik hervor. 

jb/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Internationaler Strafgerichtshof: . In: Legal Tribune Online, 12.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55842 (abgerufen am: 13.11.2024 )

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