Am Mittwoch startet der alljährliche Verkehrsgerichtstag in Goslar. Diesmal ist viel Strafrecht dabei: Sollen betrunkene Fahrer ihr Auto behalten dürfen? Sollte es in Zukunft strafbar sein, wenn man Punkte in Flensburg auf sich nimmt?
Vom 24. bis zum 26. Januar findet der Verkehrsgerichtstag (VGT) in Goslar statt. Die Konferenz gilt als eines der wichtigsten Treffen von Fachleuten für Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht in Deutschland. Die Diskussionsergebnisse veröffentlichen die Arbeitskreise zum Ende der Veranstaltung in Form von Empfehlungen. Diese richten sich nach Aussage des VGT "an den deutschen und europäischen Gesetzgeber sowie an die verkehrsrechtliche Praxis".
Dieses Jahr wieder grundlegende strafrechtliche Themen dabei. Bis Freitag diskutieren Experten in acht Arbeitskreisen u.a. über den Flensburger "Punktehandel", die geplanten Neuregelungen zur Unfallflucht und die Rechtsfolgen einer Trunkenheitsfahrt.
Einziehung des Fahrzeugs nach Trunkenheitsfahrt?
Der erste Arbeitskreis setzt sich mit der Frage auseinander, ob dem Täter einer strafbaren Trunkenheitsfahrt (§ 316 Strafgesetzbuch, StGB) auch das Täterfahrzeug entzogen werden sollte. Dem Täter droht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Daneben ist der Entzug der Fahrerlaubnis die regelmäßige Folge (§ 69 Abs. 1, 2 Nr. 2 StGB).
Sein Fahrzeug darf der Täter dagegen behalten: Das Fahrzeug ist kein "Tatmittel" i.S.v. § 74 Abs. 1 StGB, sondern ein "Tatobjekt" i.S.v. Abs. 2. Deren Einziehung ist nur zulässig, wenn eine spezielle Norm dies gestattet. Eine solche existiert im Bereich der Straßenverkehrsdelikte bislang nur für verbotene Kraftfahrzeugrennen in § 315f StGB. Der VGT diskutiert nun darüber, inwiefern diese Folge auch auf das Fahren im Rauschzustand erstreckt werden sollte.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt eine Erweiterung des Sanktionierungssystems bei einer Trunkenheitsfahrt ab. Verbotene Kraftfahrzeugrennen seien gerade nicht mit einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt zu vergleichen, so Rechtsanwalt Thomas Noack von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Weiter macht Noack auch auf praktische Probleme aufmerksam: Was ist, wenn das Täterfahrzeug nicht dem Täter selbst gehört, sondern gemietet oder gar gestohlen wurde? Dieses Problem spreche gegen eine Ausweitung der Sanktion, so Noack.
Punktehandel und Behördentäuschung künftig strafbar?
Wer zu fest aufs Gas getreten hat und dabei erwischt wurde, kann sich eventuell über Punkte aus Flensburg freuen. Die Freude ist besonders groß, wenn bereits zu viele Punkte auf dem Konto waren, denn bei acht Punkten wird die Fahrerlaubnis erst einmal entzogen (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz, StVG). Um dem zu entgehen, überreden einige Verkehrssünder andere, unbeteiligte Personen dazu, ihren Kopf für das Vergehen hinzuhalten – oft auch gegen Bezahlung.
Strafbar ist diese Behördentäuschung bisher regelmäßig nicht. Insbesondere ein Betrug gem. § 263 StGB kommt nicht in Betracht. Denn dem Fiskus entsteht kein finanzieller Schaden dadurch, dass fällige Punkte in Flensburg nicht eingetragen werden. Auch die Vortäuschung einer Straftat (§ 145d StGB) liegt in der Regel nicht vor, denn das verkehrswidrige Verhalten, um das es geht, erfüllt meist nur den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit.
Ob und wie man diese Rechtslage ändern und den "Punktehandel" sanktionieren sollte, darüber wird der VGT nun diskutieren. Herbert Mertin, Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz, freut sich, dass der VGT die Strafbarkeit dieses Punktehandelns aufgreift. "Diejenigen, die Verkehrsregeln missachten, müssen auch die Konsequenzen dafür tragen und sollen sich nicht vor den gesetzlich vorgesehenen Folgen drücken können und weiter die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden", so Mertin. Der FDP-Politiker sprach sich bereits 2018 und 2022 für die Schaffung einer solchen Strafnorm aus.
Diskussionen um Wartepflicht bei Unfallflucht
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte bereits angekündigt, das Strafgesetzbuch auszumisten. Dabei geht es unter anderem um den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB), umgangssprachlich oft als "Fahrerflucht" bezeichnet. Nach einem vom Bundesjustizministerium (BMJ) im November veröffentlichten Eckpunktepapier zur StGB-Reform sollen Unfallbeteiligte nicht mehr vor Ort warten müssen, wenn bei dem Unfall lediglich einen Sachschaden entstanden ist. Stattdessen sollen digitale Meldestellen eingerichtet werden, um die Übermittlung von Schadensmeldungen möglich zu machen.
Wer als Unfallversursacher dort seine Daten hinterlässt, soll straffrei den Unfallort verlassen können. Bislang machen sich Unfallbeteiligte auch im Fall bloßer Sachschäden strafbar, wenn sich nicht "eine nach den Umständen angemessene Zeit" auf unbeteiligte Personen warten, denen sie ihre Personalien nennen können.
Auch Verbände und Experten fordern bei der Unfallflucht eine Reform. Es herrschte im Vorfeld aber Uneinigkeit darüber, wie diese genau aussehen könnte. Es geht dabei unter anderem um die konkrete Ausgestaltung der Wartepflicht am Unfallort. Wie das BMJ befürwortet auch der DAV eine Entkriminalisierung bei Sachschäden.
Neben diesen Themen setzt sich der siebte Arbeitskreis mit dem eher ungewohnten Thema "Multimodale Reisen" auseinander. Wer mit dem Zug zum Flug reist, um anschließend zum Schiff zu kommen, hat ein Problem, wenn eines der Verkehrsmittel mal nicht so fährt wie geplant. Der VGT setzt sich damit auseinander, ob das bisherige Haftungsregime für solche Arten von Reisen ausreichend ist. Weitere Themen in Goslar sind der Umgang mit Vorschäden an Autos bei der Schadensregulierung nach einem Unfall.
Am Freitag präsentieren die VGT-Arbeitskreise ihre Ergebnisse.
xp/dpa/LTO-Redaktion
62. Verkehrsgerichtstag diskutiert: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53708 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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