Es besteht kein Anlass, das Eisenbahn-Bundesamt zu verpflichten, der Deutschen Bahn AG den Weiterbau von "Stuttgart 21" deshalb zu untersagen, weil sie mehr Grundwasser fördern und entnehmen möchte als in den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlüssen zugelassen. Dies entschied der VGH mit Beschluss vom Montag und lehnte damit den Eilantrag des BUND ab.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) habe nicht glaubhaft gemacht, dass es zur Sicherung seines möglichen Beteiligungsrechts nötig sei, der Deutschen Bahn AG vorläufig die Fortführung von Baumaßnahmen zu untersagen. Die Maßnahmen zum Abriss des Nordflügels des Hauptbahnhofs und zur Vorbereitung des Abrisses des Südflügels seien durch den Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 gedeckt, so der Verwaltungsgerichtshof (VGH, Beschl. v. 01.08.2011, Az. 5 S 1908/11).
Die Planfeststellungsbeschlüsse des Eisenbahn-Bundesamtes vom 28.01.2005, 13.10.2006 und 16.05.2007 für drei Abschnitte des Vorhabens enthalten unter anderem wasserrechtliche Genehmigungen, Grundwasser aus Bodenschichten zu entnehmen, zutage zu fördern, zutage zu leiten und abzuleiten. Diese Befugnisse sind auf bestimmte Gesamtfördermengen und -raten sowie auf effektive Grundwasserentnahmemengen und -raten in bestimmten Zeitabschnitten (Monat, Jahr) innerhalb von sieben Jahren ab Beginn der "Bauwasserhaltungsarbeiten" begrenzt.
Bahn beantragt Änderung wasserrechtlicher Genehmigungen
Im April dieses Jahres zeigte die Deutsche Bahn AG dem Eisenbahn-Bundesamt an, dass aufgrund neuer, erst nach Erlass der Planfeststellungsbeschlüsse gewonnener Erkenntnisse in einzelnen Baugruben ein teilweise deutlich höherer Wasserandrang vorhanden sei als ursprünglich angenommen. Daher müsse für einzelne Bauarbeiten mehr Grundwasser abgepumpt - und gleichzeitig wieder in den Boden infiltriert - werden als in den Planfeststellungsbeschlüssen zugelassen. Sie beantragte eine entsprechende Änderung ihrer wasserrechtlichen Befugnisse und vorsorglich eine entsprechende planungsrechtliche Zulassung.
Hierauf verlangte der BUND vom Eisenbahn-Bundesamt unter Hinweis darauf, dass für die begehrten wasserrechtlichen Änderungen ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen und er in einem solchen Verfahren zu beteiligen sei, der Deutschen Bahn AG die Wiederaufnahme der Bauarbeiten für das Vorhaben "Stuttgart 21" vorläufig zu untersagen. Das lehnte das Eisenbahn-Bundesamt ab.
VG verweist den Rechtsstreit
Anschließend beantragte der BUND beim Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart, das Eisenbahn-Bundesamt durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, der Deutschen Bahn AG Baumaßnahmen zur Umsetzung der Planfeststellungsbeschlüsse für das Vorhaben "Stuttgart 21" zu untersagen, solange über deren Antrag auf Erhöhung der Grundwasserförderung und -entnahme nicht entschieden sei. Das VG verwies den Rechtsstreit an den VGH.
BUND ist antragsbefugt
Der VGH stellt zunächst seine Zuständigkeit klar und bejaht die Antragsbefugnis des BUND. Es erscheine nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht ausgeschlossen, dass wegen der beantragten wasserrechtlichen Änderungen ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müsse und dadurch ein naturschutzrechtliches Beteiligungsrecht des Antragstellers ausgelöst werde.
Die Verlegung von Rohrleitungen zur Umsetzung des planfestgestellten Grundwassermanagements sei von den wasserrechtlichen Erlaubnissen und Nebenbestimmungen gedeckt, so die Richter. Der Änderungsantrag der Deutschen Bahn AG ziele nur auf eine Erhöhung der zugelassenen Grundwasserentnahmemengen und -raten im genehmigten Rohrleitungssystem. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Deutsche Bahn AG bereits vor einer Entscheidung über diesen Änderungsantrag größer dimensionierte Leitungen verlegen oder größere Mengen an Grundwasser als bislang zugelassen entnehmen wolle. Die Planfeststellungsbeschlüsse seien auch weiterhin wirksam.
Ihre Genehmigungswirkung sei nicht etwa deshalb entfallen, weil das Vorhaben ohne eine Erhöhung der Grundwasserentnahmemengen und -raten nicht mehr verwirklicht werden könne. Denn zum einen sei die Genehmigungsfähigkeit des Änderungsantrags - gegebenenfalls unter Auflagen - derzeit nicht ausgeschlossen, und zum anderen gebe es noch mindestens drei bautechnische Alternativen zur Bewältigung eines erhöhten Grundwasserandrangs (wasserdichter Verbau, Unterwasserbetonsohle, Verlagerung von Infiltrationsbrunnen).
Keine Eilbedürftigkeit
Schließlich stehe dem BUND auch kein Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit zur Seite, weil ein ihm zustehendes naturschutzrechtliches Beteiligungsrecht im Planfeststellungsverfahren nicht gefährdet sei. Zwar habe das Eisenbahn-Bundesamt noch nicht abschließend entschieden, ob es ein Planänderungsverfahren durchführe. Es habe aber vorsorglich darauf hingewirkt, dass die Deutsche Bahn AG ein solches Verfahren beantrage. Daher bestünden derzeit keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Eisenbahn-Bundesamt ein Beteiligungsrecht des BUND umgehe.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
tko/LTO-Redaktion
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Stuttgart 21: . In: Legal Tribune Online, 02.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3912 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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