Müssen Achterbahn, Riesenrad oder Krake auf Jahrmärkten schärferen Sicherheitsbestimmungen gerecht werden? Ja, urteilen Richter in Niedersachsen. Andere EU-Länder hatten für ältere Geräte Bestandsschutz gewährt.
Im Streit um verschärfte Sicherheitsvorschriften für Karussells und Co. haben Schausteller vor Gericht eine Niederlage erlitten. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg wies am Freitag die Klage eines Achterbahn-Betreibers gegen den TÜV Nord als die vom Land beauftragte Prüfbehörde ab. Seine ältere Fahrgeschäfte wollte der Schausteller nicht nach einer neuen EU-Sicherheitsnorm überprüfen lassen (Urt. v. 04.12.2015, Az. 1 LC 178/14).
Genehmigungen erteilt der niedersächsische TÜV nur noch, wenn die Betreiber die neue EU-Norm DIN EN 13 814 erfüllen. Bei der Übernahme der Norm in deutsches Baurecht war allerdings der bis dahin europaweit geltende Bestandsschutz für ältere Fahrgeschäfte in den Gesetzen der Bundesländer gestrichen worden.
Mit den neuen Regelungen könnten sie ihre Geschäfte nicht mehr wirtschaftlich betreiben, damit wäre ihre Existenz bedroh, beklagen betroffene Schausteller. Sie fürchten, dass Klassiker unter den Fahrgeschäften wie Riesenrad oder Achterbahnen von den Jahrmärkten verschwinden könnten.
Der Achterbahn-Besitzer Heiko Schierenbeck aus Weyhe bei Bremen war deshalb stellvertretend für seine Kollegen vor Gericht gezogen. Er hatte geltend gemacht, dass die neue EU-Norm einen Bestandsschutz für alte Anlagen vorsieht, auf den die Bundesländer bei der Übernahme in deutsches Recht nicht hätten verzichten dürfen – auch andere europäische Staaten hätten den Bestandsschutz beibehalten.
Kein Bestandsschutz für Achterbahnen
In erster Instanz hatte er gewonnen, doch nun entschieden die Lüneburger Richter, das niedersächsische Bauministerium sei dazu berechtigt gewesen, den Schutz zu streichen - echten Bestandsschutz könne es für die Achterbahnen nicht geben.
Die Prüfbehörden haben dem klagenden Achterbahn-Betreiber in Aussicht gestellt, dass er seine Lizenz verlängert bekomme, wenn er einen Prüfbericht mit Kosten von rund 30 000 Euro in Auftrag gebe. "In der Tat genügt es, wenn ein Auftrag erteilt ist, um die Verlängerung zu kriegen", sagt René Bennecke, Leiter der zuständigen Stelle beim TÜV-Nord. Zudem werde der TÜV-Süd, der die Prüfberichte fertigen solle, noch Jahre brauchen, bis alle Berichte erstellt seien.
Das beruhigte den Kläger nicht: "Wer die Kosten für den Prüfbericht und Nachrüstungen nicht zahlen kann, wird seine Geräte im Ausland verkaufen und den Betrieb einstellen", befürchtet Schierenbeck. "Das wird die Volksfestkultur im ganzen Land erheblich verändern." Den Sicherheitsgewinn zweifelt er an.
Der Richterspruch könnte auch in den anderen Bundesländern Bedeutung erlangen. Auch sie hatten bei der Übernahme der EU-Norm auf den Bestandsschutz verzichtet. Allerdings war in vielen Landtagen bereits dafür plädiert worden, zum Schutz der Volksfeste den Bestandsschutz doch zu gewähren.
Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ließ das OVG nicht zu.
dpa/ahe/LTO-Redaktion
OVG Lüneburg zur Sicherheit von Jahrmarktattraktionen: . In: Legal Tribune Online, 07.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17774 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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