LG München I weist Klimaklage der Umwelthilfe ab: Kein Ver­b­renner-Aus für BMW ab 2030

von Pauline Dietrich, LL.M.

07.02.2023

Die DUH ist vor dem LG damit gescheitert, BMW auf zivilrechtlichem Wege zu einem Verbrenner-Aus ab 2030 zu verpflichten. Das Urteil gibt aber Hinweise darauf, dass sich das in den nächsten Jahren noch ändern könnte.

BMW darf auch nach 2030 Autos mit klimaschädlichen Verbrennermotoren auf den Markt bringen – zumindest steht aus der zivilrechtlichen Sicht des Landgerichts (LG) München I diesem Vorhaben zunächst nichts im Wege. Die Geschäftsführer:innen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) scheiterten mit ihrem darauf gerichteten Unterlassungsanspruch. Das LG wies die Klage ab – sie sei zum jetzigen Zeitpunkt unbegründet (Urt. v. 07.02.2023, Az. 3 O 12581/21). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die DUH kündigte bereits am Tag der Urteilsverkündung an, in die nächste Instanz zu ziehen.

Geklagt hatten drei Geschäftsführer:innen der DUH. Sie sehen sich durch den PKW-Vertrieb von BMW und den daraus resultierenden Treibhausgasemissionen bei der Nutzung der Autos in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR) aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Über einen "klimaschützenden Unterlassungsanspruch" aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB analog wollen sie erstens erreichen, dass BMW ab dem 31. Oktober 2030 keine Pkw mehr mit einem Verbrennungsmotor auf den Markt bringen darf, sofern diese bei der Nutzung keine Treibhausgasneutralität aufweisen. Um zu verhindern, dass BMW bis dahin noch eine besonders hohe Zahl an emissionsträchtigen Fahrzeugen in den Verkehr bringt, verlangt die DUH zweitens, dass BMW bis zum 31. Oktober nur noch bis zum Erreichen einer bestimmten Emissionsschwelle Pkw erstmalig auf den Markt bringen darf.

DUH: Verbrenner-Aus notwendig für Treibhausgasneutralität ab 2045

Die DUH stützt ihren Anspruch vor allem auf den berühmten Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2021. Darin geht das BVerfG auf folgenden Umstand ein: Je weniger CO2 Deutschland in den nächsten Jahren einspart, desto drastischer müssen die Einsparungen später ausfallen – und damit auch die Freiheitsbeschränkungen und Grundrechtseingriffe der nachfolgenden Generationen. Es dürfe nicht einer Generation zugestanden werden, zulasten der nachfolgenden Generationen große Teile des CO2-Budgets aufzubrauchen, wenn so deren Leben schwerwiegenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde. Der Übergang zur Klimaneutralität müsse daher rechtzeitig eingeleitet werden. Dies verlange auch schon jetzt über das Jahr 2030 hinaus hinreichende Reduktionsmaßgaben. Das BVerfG verpflichtete daher den Gesetzgeber, die Minderungsziele der Treibhausgasemissionen ab 2031 besser zu regeln. Die bis zum Jahr 2030 festgelegten Ziele seien jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht zu beanstanden, der Gesetzgeber sei seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen.

Die DUH rechnet jedoch in ihrer Klageschrift vor, dass jedes nach dem Jahr 2030 in den Verkehr gebrachte Auto mit Verbrennungsmotor eine rechtzeitige Treibhausgasneutralität verhindere. Einem wissenschaftlichen Gutachten zufolge, auf das sich auch das BVerfG beziehe, müsse nämlich zur Begrenzung der Auswirkungen des Klimawandels ab 2045 Treibhausgasneutralität sowohl in Deutschland als auch global hergestellt sein – und die Nutzungsdauer eines neuen, mit Verbrennungsmotor ausgestatteten Pkw betrage durchschnittlich 14,2 Jahre. Eine Treibhausgasneutralität ab dem Jahr 2045 setze damit einen Ausstieg aus dem Vertrieb solcher Fahrzeuge spätestens ab dem 31. Oktober 2030 voraus.

BMW: Kein Einfluss auf CO2-Emissionen bei Fahrzeugnutzern

Eine derartige Verpflichtung seitens des Gesetzgebers bestehe bislang nicht und von sich aus plane BMW das ebenfalls nicht – und auf Unkenntnis könne sich das Unternehmen spätestens seit dem BVerfG-Beschluss nicht mehr berufen, so die DUH. BMW könne auch nicht entgegenhalten, dass der geltend gemachte Rechtsanspruch überzogen und unrealistisch sei – in anderen Staaten gebe es nämlich bereits Regelungen, die auf ein Verbrenner-Aus ab 2030 abzielen.

BMW hingegen vertrat zum einen die Auffassung, dass der Vortrag der DUH zu den künftigen Auswirkungen der Treibhausgasemissionen und der damit einhergehenden zu befürchtenden Einschränkungen zu abstrakt sei, um darauf Unterlassungsansprüche zu stützen. Außerdem sei die Begrenzung von Fahrzeugemissionen auf europarechtlicher Ebene bereits harmonisiert und diese Regelungen gingen dem Unterlassungsanspruch vor. Zudem greife ein Vertriebsverbot in erheblichem Maße in die Berufswahl- und Eigentumsfreiheit BMWs ein – und ein für BMW festgelegtes CO2-Budget existiere ohnehin nicht. Der Ansatz der DUH beruhe lediglich auf Marktanteilen und Schätzungen vergangener Jahre, so könne auch aus dem BVerfG-Beschluss kein Budget abgeleitet werden. Und selbst wenn, dann sei es völlig ungewiss, ob und wann dieses angebliche Budget denn überschritten werde, schließlich habe BMW keinen Einfluss darauf, ob und in welchem Maße seine Fahrzeuge CO2-Emissionen freisetzen, sobald sie bei den Nutzer:innen seien und nicht mehr im Handlungsbereich von BMW.

LG: Eingriff "nicht von vornherein unschlüssig"

Das LG entschied nun: Die Klage der DUH ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Kammer sieht keinen rechtswidrigen Eingriff in den Schutzbereich des APR – noch nicht. Das LG betont in seinem Urteil, das LTO vorliegt, dass der vorgetragene Eingriff "nicht von vornherein unschlüssig ist". Würde es durch die Geschäftstätigkeit von BMW – und damit zu der von der DUH vorgetragenen Aufzehrung erheblicher Teile des CO2-Budgets – wirklich zu gravierenden Freiheitseinbußen der Kläger:innen kommen, sei eine Verletzung des APR möglich. Das könne zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch nicht festgestellt werden. BMW halte unstrittig alle gesetzgeberischen Vorgaben ein und der Gesetzgeber komme nach den Feststellungen des BVerfG seinen Schutzpflichten diesbezüglich auch in ausreichendem Maße nach. Das LG betont, dass der BVerfG-Beschluss auch noch ziemlich aktuell sei.

Außerdem obliege es zunächst dem Gesetzgeber, Mindestregelungen über CO2-Reduktionserfordernisse nach 2030 zu schaffen. Die Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft auf Klimaneutralität sei eine hoch komplexe Aufgabe, deren Wahrnehmung der Legislative und der Exekutive anvertraut sei – und sowohl der nationale als auch der europäische Gesetzgeber hätten das bereits in Angriff genommen. Es liegen laut Urteil keine Besonderheiten vor, die aus zivilrechtlicher Sicht Abweichungen davon zulassen würden. Über die öffentlich-rechtlichen hinausgehenden zivilrechtlichen Pflichten bestehen jedenfalls derzeit nicht, so die Kammer.

DUH: "Weg frei für Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs"

BMW begrüßte das Urteil des LG. "Die Auseinandersetzung über den Weg zur Erreichung der Klimaziele muss im politischen Prozess erfolgen, durch die demokratisch legitimierten Parlamente - nicht aber im Gerichtssaal", sagte ein Sprecher.

Noch am Dienstag gab die DUH bekannt, dass sie nun das OLG München anrufen wird und zeigt sich trotz ihres Scheiterns vor dem LG optimistisch: "Zwar hat das Landgericht München die Klage in erster Instanz abgewiesen, die Klage aber ausdrücklich als zulässig bewertet und in der schriftlichen Urteilsbegründung betont, dass das Urteil nur in aktuellem Kontext gefallen sei", heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung.

"Mit dem heutigen Urteil steht fest, dass unsere Klage erfolgreich sein wird, wenn absehbar ist, dass die Klimaschutzziele nicht eingehalten werden. Wird der Klimaschutz durch Politik und Unternehmen weiter verschleppt, wird unsere Klage somit zukünftig erfolgreich sein. Denn Konzernen, die einen CO2-Fußabdruck haben, der größer ist als der vieler Nationalstaaten, obliegt eine Sorgfaltspflicht zu ausreichendem Klimaschutz", so DUH-Anwalt Remo Klinger am Dienstag. "Durch die schnelle Verhandlung und Entscheidung des Landgerichts ist der Weg frei für eine hoffentlich noch 2023 stattfindende Berufungsverhandlung und im Anschluss vermutlich Grundsatzentscheidung durch den Bundesgerichtshof spätestens 2024", ergänzt Kläger und DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

Die gleiche Strategie fährt die DUH im Fall einer Klage gegen Mercedes, die vor dem LG Stuttgart wie die Klage gegen BMW ausging. Auch dagegen hat die DUH bereits Rechtsmittel eingelegt. Währenddessen versucht sie auch auf öffentlich-rechtlichem Wege vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in mehreren Verfahren, die Bundesregierung zu mehr Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaschutzziele zu verpflichten. Eine von ihr unterstützte Klimaklage ist außerdem vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig.

Zitiervorschlag

LG München I weist Klimaklage der Umwelthilfe ab: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51002 (abgerufen am: 13.11.2024 )

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