Gemeinden scheitern vor BVerfG: Kein neues Zulassungsverfahren für kommunale Jobcenter

von Pia Lorenz

07.10.2014

2/2: Verfassungswidrig: Zwei-Drittel-Mehrheit in der Kommunalvertretung

Nur die Vorschrift des § 6a Abs. 2 S. 3 SGB II verkürzt nach Ansicht der Karlsruher Richter die Organisationshoheit der Gemeinden und greift dadurch in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ein.

Die Regelung bestimmt, dass der Antrag auf Zulassung als Optionskommune einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder in der zuständigen Vertretungskörperschaft bedarf. Die interne Willensbildung in den Kommunen und das Zusammenwirken zwischen ihren Organen ist aber Teil des Kommunalrechts. Andernfalls könnte der Bund in allen Bereichen, in denen er eine Gesetzgebungskompetenz besitzt, auch Vorgaben zur Willensbildung erlassen, so dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Kommunalrecht leerliefe.

Die Vorschrift darf ab sofort nicht mehr angewendet werden, bestehende Zulassungen bleiben jedoch in Kraft. Die Karlsruher Richter begründen das damit, dass die zugelassenen Optionskommunen sonst ihre Aufgaben ab sofort nicht mehr einheitlich wahrnehmen könnten, was viele Leistungsempfänger und Mitarbeiter der Kommunen betreffen würde.  

Obiter dictum: Verteilungsverordnung eventuell unzureichend

Gegen die übrigen bundesgesetzlichen Vorschriften haben die Verfassungsrichter nichts einzuwenden. Insbesondere die Beschränkung auf bundesweit maximal 110 Kommunen, welche Hartz-IV-Empfänger eigenständig betreuen dürfen, halten sie für verfassungsgemäß. Die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung solle nach Art. 91e Abs. 1 und 2 GG die Regel sein, die alleinige durch die Optionskommunen die Ausnahme. Das reicht dem Senat mit Hinweis auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebersals, um die 25-Prozent-Regelung des § 6a Abs. 2 S. 4 SGB II zu rechtfertigen.

Einmal mehr lässt der Karlsruher Senat sich aber ein kleines obiter dictum nicht nehmen. Die Richter weisen ausdrücklich darauf hin, dass sie nicht darüber entscheiden konnten, ob das durch Rechtsverordnung geregelte Verfahren zur Verteilung der Optionskommunen selbst den Anforderungen an ein willkürfreies, transparentes und nachvollziehbares Zulassungsverfahren genügt und "ob es insbesondere nicht bundesrechtlicher Regelungen über die Verteilung der möglichen Optionskommunen auf die Länderkontingente bedarf". Aber schließlich war "die insoweit möglicherweise unzureichende Verordnung" nicht Gegenstand des Verfahrens.

Die Bundesagentur für Arbeit wird hoffen, dass niemand das zum Anlass nehmen wird, erneut gegen die derzeitige Aufteilung vorzugehen. Dort befürchtete man vor dem Karlsruher Urteil, dass bei einem Erfolg der Klage weitere Städte und Landkreise die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur in Jobcentern aufkündigen würden. Damit würde die Betreuung von Langzeitarbeitslosen in Deutschland weiter zersplittert und intransparent. Schon jetzt habe der Bund, der die Betreuung von Hartz-IV-Empfängern jährlich mit Milliardenbeträgen finanziert, nur unzureichend Überblick über die Verwendung der Gelder.

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Gemeinden scheitern vor BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13405 (abgerufen am: 15.11.2024 )

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