Gemeinden scheitern vor BVerfG: Kein neues Zulassungsverfahren für kommunale Jobcenter

von Pia Lorenz

07.10.2014

Das BVerfG hat am Dienstag die Kommunalverfassungsbeschwerde von Leverkusen in Nordrhein-Westfalen und 15 Landkreisen, die gern Optionskommunen gewesen wären, überwiegend abgewiesen. Nur einen verfassungswidrigen Eingriff in die interne Willensbilderung der Kommunen sehen die Karlsruher Richter. Doch ein kleiner Hinweis am Rande lässt aufhorchen: Ist das gesamte Verteilungsverfahren rechtswidrig?

Die 15 Landkreise sowie die Stadt Leverkusen, die sich mit ihren Kommunalverfassungsbeschwerden gegen die im Jahr 2010 eingeführten Regelungen zur Rechtsstellung der sogenannten Optionskommunen wandten, sind in Karlsruhe überwiegend unterlegen. Der 2. Senat hat an der Auswahl der Optionskommunen im Grundsatz nichts auszusetzen. Auch mehr kommunale Jobcenter sahen die Verfassungsrichter, die sich schon bei der Verhandlung im Februar skeptisch geäußert hatten, als nicht grundsätzlich erforderlich an (BVerfG, Urt. v. 07.10.14, Az. 2 BvR 1641/11).

Damit bleibt es bis auf weiteres bei den derzeit bundesweit zugelassenen 108 Kommunen, welche Langzeitarbeitslose in Eigenregie - also unabhängig von der Arbeitsagentur - betreuen. Die 15 der insgesamt 16 Kläger in Karlsruhe, welche nicht zum Zuge gekommen waren, als sie sich bei der Jobcenter-Reform 2011 als Optionskommune beworben hatten, werden nicht zusätzlich ernannt. Ihrem Wunsch nach mehr Eigenverantwortung, um vor Ort schneller und flexibler agieren zu können, erteilte das BVerfG eine Absage.

Die Karlsruher Richter erklärten die im Jahr 2010 eingeführten Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB) II, für überwiegend verfassungsgemäß. Lediglich die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des § 6a Abs. 2 S. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) II, welche für einen Zulassungsantrag als eigenständige Optionskommune eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der zuständigen Vertretungskörperschaft vorsieht, fehle dem Bund. Für die Vergangenheit erklärten die Richter die Vorschrift jedoch ausdrücklich nicht für nichtig.

Umfassender Gesetzgebungsauftrag für den Bund

Die Regelungen im SGB II, welche die Kommunen mit ihren Kommunalverfassungsbeschwerden hauptsächlich angriffen, datieren aus dem Jahr 2010. Sie wurden parallel zur Einfügung von Art. 91e GG beschlossen. Diese Änderung des Grundgesetzes, die ihrerseits infolge einer Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2007 erforderlich geworden war, regelt das Zusammenwirken der Bundesagentur für Arbeit (BfA) und der kommunalen Träger bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende.  

Der Gesetzgeber habe damit unmittelbare Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Optionskommunen begründet und in diesem Rahmen auch eine Finanzkontrolle ermöglicht, befand der 2. Senat. Der Bund könne aufgrund seines umfassenden Gesetzgebungsauftrags das Zulassungsverfahren für die Optionskommunen weitgehend frei ausgestalten.

Einen Verstoß gegen die Ewigeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG sieht der Senat nicht. Zwar durchbreche Art. 91e Abs. 1 GG das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung. Dieses sei aber kein absolutes Verbot, denn ein solches lasse sich weder aus dem Demokratie- noch aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten. Die Vorschrift, mit welcher der Gesetzgeber die bestehende Verwaltungspraxis zwischen den Kommunen, Ländern und dem Bund habe absichern wollen, unterbreche punktuell die Zweistufigkeit des Staatsaufaufbaus, indem sie eine Finanz- und Verwaltungsbeziehung unmittelbar zwischen den Kommunen und dem Bund aufbaue. Die Kann-Formulierung des Absatzes 2 begründet keinen Anspruch der Kommunen darauf, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende eigenständig wahrzunehmen.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Gemeinden scheitern vor BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13405 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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