2/2: Betreuungsgeld politisch seit jeher kontrovers
Das Betreuungsgeld war von Anfang an ein politisch kontroverses Vorhaben. Gegner des Konzepts bezeichneten es abwertend als "Herdprämie", da es falsche Anreize setze und insbesondere Frauen sowie bildungsferne Familien dazu verleite, auf berufliche Chancen zu verzichten. Auch sei es systemwidrig, für den Verzicht auf staatlich subventionierte Leistungen Prämien zu zahlen, da Vergleichbares in keinem anderen Fall (etwa beim Verzicht auf Opernkarten oder die Stadtbibliothek) gewährt werde. Die hierfür eingeplanten Mittel sollten besser für Investitionen in Gegenden verwendet werden, in denen die Inanspruchnahme der Zahlung aus Mangel an Betreuungseinrichtungen fast alternativlos sei.
Befürworter hingegen kritisierten die Herabwertung häuslicher bzw. familiärer Arbeit, die von Gegnern des Betreuungsgeldes betrieben werde: Diese sei heute wie in allen Zeiten eine wichtige Aufgabe, die auf staatliche Institutionen weder vollständig ausgelagert werden solle noch könne. Wenn einzelne Personen, die keineswegs zwangsläufig weiblich oder bildungsfern sein müssten, sich entschlössen, ihre Kindern zu Hause zu betreuen und insoweit den Staat zu entlasten, spräche nichts dagegen, dies mit einer finanziellen Prämie zu honorieren.
Vor dem BVerfG ging es um andere Fragen
Vor dem BVerfG geklagt hatte Hamburg, und damit Familienministerin Schwesig in eine schwierige Situation gebracht: Die damals noch in der Opposition agierende Politikerin war bei Einführung des Betreuungsgeldes 2013 als vehemente Gegnerin des Konzepts aufgetreten – ist aber nun kraft ihres Amtes zu dessen Verteidigung berufen.
In der mündlichen Verhandlung im April dieses Jahres hatte das Gericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes angedeutet. Dabei ging es jedoch weniger um die vorgenannten politischen Aspekte, als vielmehr um formale, namentlich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in dieser Sache. Ob das Gesetz zur insoweit erforderlichen Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet tatsächlich notwendig ist, wurde seitens des Gerichts bereits damals hinterfragt. Die Regierung hatte damit argumentiert, dass es sich um ein Gesamtkonzept zur Familienförderung handele.
Bayern will weiterzahlen
Der Ministerpräsident Bayerns, Horst Seehofer, hatte am Tag vor der Urteilsverkündung seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass das BVerfG "ein Herz für Familien und Kinder" zeigen und das Betreuungsgeld bestätigen werde. Auch andernfalls werde man die Zahlungen in Bayern aufrechterhalten. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sind dafür im Etat des Landes bereits 100 Millionen Euro reserviert.
Das Betreuungsgeld war seinerzeit maßgeblich auf Verlangen der CSU eingeführt worden. Die Versorgung mit Betreuungsplätzen in den ländlichen Gebieten Bayerns zählt zu den schlechtesten in Deutschland.
Constantin Baron van Lijnden, Keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes: . In: Legal Tribune Online, 21.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16299 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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