BGH hebt Urteil im Strafausspruch weitgehend auf: IS-Rück­keh­rerin Jen­nifer W. droht höhere Strafe

09.03.2023

Die IS-Rückkehrerin Jennifer W. versklavte zwei Jesidinnen und ließ eine von ihnen, ein fünfjähriges Mädchen, in der Hitze sterben. Das OLG München verurteilte sie dafür zu zehn Jahren Haft. Der BGH hat das Urteil im Strafausspruch aufgehoben. 

Der IS-Rückkehrerin Jennifer W. droht eine härtere Strafe, weil sie 2015 im Irak ein jesidisches Mädchen in sengender Hitze angekettet sterben ließ, ohne einzuschreiten. Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte die Frau aus Lohne in Niedersachsen zu zehn Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag auf Revision der Bundesanwaltschaft hin im Strafausspruch weitgehend auf. Es begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das OLG hier einen minderschweren Fall angenommen habe, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer (Beschl. v. 09.03.2023, Az. 3 StR 246/22).

W.'s irakischer Ex-Mann ist bereits rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt worden, auch wegen Völkermordes. Er hatte das Mädchen und dessen Mutter als Sklavinnen gekauft, nachdem diese von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verschleppt worden waren. Im August 2015 hatte er die Fünfjährige zur Strafe bei sengender Hitze an ein Gitter im Hof gekettet. Nach den Feststellungen des Gerichts erkannte W., dass das Mädchen in Lebensgefahr war, schritt jedoch nicht ein. Das Mädchen starb an den Folgen des Fesselns. W. hielt der weinenden Mutter des Mädchens, die Nebenklägerin in dem Verfahren ist, eine Pistole an den Kopf und drohte, sie zu erschießen, wenn sie nicht aufhöre. Die Angeklagte war die erste weibliche IS-Anhängerin, gegen die nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ein Haftbefehl erlassen wurde.

Bundesanwaltschaft mit Revision erfolgreich

Das OLG München verurteilte W. unter anderem wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge, Kriegsverbrechen und Beihilfe zum versuchten Mord. Der Strafzumessung hat es als höchste Sanktionsandrohung (§ 52 Abs. 2 StGB) den Strafrahmen zugrunde gelegt, der für den minder schweren Fall des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge gesetzlich vorgesehen ist (§ 7 Abs. 4 Alternative 1 VStGB).

Die Revision des Generalbundesanwalts, mit der die rechtsfehlerhafte Annahme eines minder schweren Falls beanstandet wurde, hatte am BGH Erfolg. Das OLG habe verkannt, dass sich die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch eine Tat grundsätzlich strafschärfend auswirke, hieß es. "Im Übrigen hat es der 3. Strafsenat als zumindest bedenklich angesehen, dass das OLG die menschenverachtenden Beweggründe und Ziele der Angeklagten unberücksichtigt gelassen hat, die sich nach den Urteilsfeststellungen aufdrängten", so der BGH in einer Mitteilung. 

Ein anderer Senat* des Münchner Gerichts muss nun noch einmal über die Höhe der Strafe entscheiden. In den übrigen Punkten ist das Urteil gegen die 31-Jährige rechtskräftig. Die Revision der Angeklagten verwarf der BGH als offensichtlich unbegründet. 

Jesiden sind Kurden aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Sie bilden eine religiöse Minderheit. Der IS hatte 2014 die Region um das Sindschar-Gebirge im Nordirak überrannt. Die Dschihadisten töteten mehr als 5.000 Angehörige dieser Religionsgemeinschaft. Frauen und Mädchen wurden verschleppt, versklavt und vergewaltigt. Der Bundestag hatte die Verbrechen im Januar als Völkermord anerkannt.

acr/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

*korrigiert am 09.03.2023, 18:30 (Red.).

Zitiervorschlag

BGH hebt Urteil im Strafausspruch weitgehend auf: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51266 (abgerufen am: 15.11.2024 )

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