Schmerzensgeldansprüche wegen Mobbings können noch vor Eintritt der Verjährung verwirken. Das bedeutet aber nicht, dass Opfer sofort klagen müssen, urteilte am Donnerstag das BAG. Die Richter bewerteten den Fall eines Mannes, der gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber vor Gericht zog - fast drei Jahre nach dem letzten Vorfall. Nun steht fest: Wer mit der Klage wartet, verhält sich nicht treuwidrig.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am Donnerstag klargestellt, welche Anforderungen an das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung zu stellen sind. Ansprüche wegen Mobbings könnten nur dann verwirkt sein, wenn das vermeintliche Opfer eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung trifft. Das "bloße Zuwarten" allein sei nicht als "treuwidrig" anzusehen, so die Richter (Urt. v. 11.12.2014, Az. 8 AZR 838/13).
Ansprüche wegen Mobbings unterliegen dem Rechtsinstitut der Verwirkung. Dies kann dazu führen, dass die Ansprüche zwar noch nicht verjährt sind, aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu spät geltend gemacht wurden und das Gericht sie daher verneint. Die Erfurter Richter haben nun präzisiert, wann von solch einer "Verspätung" auszugehen ist - und wann nicht.
Im zu entscheidenden Fall waren die Vorinstanzen von einer Verwirkung überzeugt. Der ehemalige Arbeitnehmer machte einen Schmerzensgeldanspruch gegen seinen einstigen Arbeitgeber geltend. Er gab an, in den Jahren 2006 bis 2008 mehrmals schikaniert worden zu sein. Der letzte Vorfall habe sich im Februar 2008 ereignet. Danach war der Mann unter anderem wegen Depressionen nahezu durchgehend arbeitsunfähig. Seine Klage erreichte das Gericht allerdings erst Ende Dezember 2010, und damit fast drei Jahre nach dem letzten Vorfall. Diese Zeitspanne führte das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg zu der Annahme, dass mögliche Ansprüche verwirkt seien.
Das BAG hob diese Entscheidung nun auf und präzisierte die Voraussetzungen an eine Verwirkung. Demnach ist diese nur unter "ganz besonderen Umständen" zu bejahen. Das reine Zuwarten sei nicht als "treuwidrig" anzusehen, so das Urteil aus Erfurt. Dass es das vermeintliche Opfer lange Zeit unterlassen habe, Klage einzureichen, könnte nur dann relevant sein, wenn besondere Umstände vorlägen und daher eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachuung bestünde. Alles andere würde nach Ansicht der Erfurter nur dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen wird.
Für den ehemaligen Arbeitnehmer ist die Entscheidung insoweit ein Erfolg. Ob der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld allerdings besteht, muss nun das LAG klären. Das BAG hat die Sache nach Nürnberg zurückverwiesen. Dort muss festgestellt werden, ob der Mann tatsächlich Opfer von Mobbing-Attacken geworden ist.
una/LTO-Redaktion
BAG präzisiert Voraussetzungen der Verwirkung: . In: Legal Tribune Online, 11.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14090 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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