Wenn ein durchschnittlich schwieriges Disziplinarbeschwerdeverfahren jahrelang dauert, kann hierfür Entschädigung gefordert werden. Diese kann dann auch höher sein als der Streitwert der Hauptsache, so das BVerwG.
Hat ein Beschwerdeverfahren eine überlange Verfahrensdauer, ist von der pauschalen Entschädigung nicht abzuweichen, auch wenn diese letztlich höher als die Disziplinarbuße ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit am Dienstag veröffentlichtem Urteil entschieden (Urt. v. 28.08.2024, Az. 2 WA 1.24).
Bei dem Verfahren geht es um die unangemessene Dauer eines Wehrdisziplinarbeschwerdeverfahrens. Geklagt hatte ein Fregattenkapitän, der im Einsatz als Kommandant eine ungewollte Schussabgabe mit Personenschaden an Bord eines Tenders weder gemeldet noch den Kontingentführer informiert haben soll. Zudem wurde ihm vorgeworfen, den Leitenden Sanitätsoffizier veranlasst zu haben, auf der entsprechenden Meldung den Schuss nicht zu erwähnen bzw. die daraus resultierte Verletzung als "unverfänglich" zu beschreiben. Der Tender nahm an der Operation Sophia im Mittelmeer teil.
Deshalb wurde gegen den Fregattenkapitän Ende Juni 2018 eine Disziplinarbuße in Höhe von 2.500 Euro verhängt. Seine Beschwerde hiergegen blieb beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr ohne Erfolg. Es folgte - nunmehr anwaltlich beraten - eine weitere Beschwerde zum Truppendienstgericht, die im Frühjahr 2019 begründet wurde.
Über vier Jahre passierte nichts
Das Truppendienstgericht teilte mehr als ein Jahr später auf Nachfrage sodann mit, dass eine Terminierung in dem Verfahren derzeit nicht absehbar sei. Der Grund: Vakanz und Wechsel des Kammervorsitzenden sowie vorrangig zu bearbeitende ältere Verfahren. Dasselbe wurde bei erneuter Sachstandsanfrage im Februar 2021 mitgeteilt. Trotz Rüge durch den Anwalt des Klägers blieb es dabei. Das Gericht teilte im November desselben Jahres mit, es beabsichtige, sich in der ersten Jahreshälfte 2022 mit dem Verfahren zu befassen. Das hänge aber auch von der Entwicklung der Corona-Pandemie ab.
Weil weiterhin nichts passierte, erhob der Kläger im August 2022 sowie erneut im März 2023, gestützt auf §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), Verzögerungsrügen. Im Spätsommer 2023 erhob der Kläger eine Entschädigungsklage zum BVerwG. Ende Oktober 2023 bewegte sich das Truppendienstgericht dann doch: Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg, die Disziplinarbuße wurde aufgehoben und die Rückerstattung der 2.500 Euro angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verteidigungsministeriums wurde zurückgewiesen (Beschl. v. 11.04.2024, Az. 2 WRB 3.23).
Verfahren dauerte 41 Monate zu lang
Der Fregattenkapitän macht im Entschädigungsverfahren nunmehr geltend, das Ausgangsverfahren gegen ihn habe, je nach Berechnung, knapp 52 bzw. 49 Monate überlang gewesen. Diese unangemessen lange Verfahrensdauer hatten die Bundeswehr bzw. das Verteidigungsministerium bereits anerkannt, es ging beim BVerwG letztlich nur noch um die genaue Dauer und davon ausgehend dann die Entschädigungshöhe.
Der 2. Wehrdienstsenat sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 4.100 Euro zu. Zu seinen Ungunsten wurde dabei berücksichtigt, dass er sich mit der Begründung der Beschwerde zum Truppendienstgericht mit vier Monaten etwas zu viel Zeit gelassen habe. Das BVerwG legte der Bemessung der Entschädigung letztlich 41 Monate als ungerechtfertigte Verfahrensüberlänge zugrunde. Dass die Entschädigung damit deutlich über der ursprünglichen Disziplinarbuße liegt, war aus Sicht des Senats unbeachtlich. Denn § 198 Abs. 2 S. 4 GVG biete "keine Grundlage für eine grundsätzliche Kappung der Entschädigung auf den Betrag des Streitwerts der Hauptsache".
jb/LTO-Redaktion
BVerwG zu überlangem Verfahren gegen Marinekommandanten: . In: Legal Tribune Online, 31.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55758 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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