Ein Justizfall, der selbst als Aprilscherz zu absurd wäre: Wie die Washington Post berichtet, will die Polizei in Manassas, Virginia, ein Foto vom erigierten Penis eines 17-jährigen Angeklagten anfertigen. Notfalls solle dem Jugendlichen Viagra eingeflößt werden. Das Bild wollen die Behörden anschließend mit Nacktaufnahmen abgleichen, die er einer 15-Jährigen per Smartphone zugeschickt haben soll.
Der Siegeszug des Smartphones hat auch das Flirtverhalten verändert. Anzügliche Nachrichten oder Bilder werden häufig auf digitalem Wege getauscht, für die Praxis wurde sogar ein eigener Neologismus geprägt: "sexting". Darauf hatte es wohl auch ein 17-jähriger Jugendlicher im amerikanischen Bundesstaat Virginia abgesehen, als er – so der Tatvorwurf – einer 15-Jährigen ein Video zusandte, auf dem sein erigierter Penis zu sehen war. Die Empfängerin soll ihm zuvor ebenfalls Fotos von sich geschickt haben.
So weit, so harmlos? Leider nein. Nach einem Bericht der Washington Post soll die Mutter des Mädchens daraufhin Anzeige erstattet haben. Da beide Protagonisten minderjährig sind, lautet der Vorwurf auf Herstellung und Besitz von Kinderpornographie. Ein Verfahren wird allerdings nur gegen den Jungen betrieben.
Es folgte das übliche juristische Prozedere: Verhandlung vor dem Jugendrichter, Verwerfung der Klage aus formalen Gründen, erneute Anklage, Durchsuchungsbefehl. Laut der Anwältin des Angeklagten soll bereits eine Hausdurchsuchung stattgefunden haben, bei der auch seine Genitialien gegen seinen Willen fotografiert worden seien. Die Polizei spricht in einer Stellungnahme davon, dass sie keine "invasiven Durchsuchungsmaßnahmen" durchgeführt habe – ob man das als Widerspruch auffassen soll, ist der Interpretation des Lesers überlassen.
Polizei will kinderpornographische Aufnahmen anfertigen, um Kinderpornographie zu bekämpfen
Eher wohl dürfte sich die Wendung "invasive Maßnahmen" auf das beziehen, was die Polizei bisher nicht durchgeführt hat, aber offenkundig plant. Denn der Beweiswert der (möglicherweise) bereits angefertigten Bilder genügt ihr nicht. Bei einer Verhandlung am 1. Juli soll dem Jungen vom Staatsanwalt erklärt worden sein, dass, wenn er sich nicht schuldig bekenne, Fotos von seinem erigierten Penis geschossen werden müssten, um diese mit Aufnahmen auf seinem Smartphone zu vergleichen. Auf Nachfrage, wie die Polizei dies bewerkstelligen wolle, soll der Staatsanwalt erklärt haben, dass man den Angeklagten eben ins Krankenhaus eskortieren und ihm dort eine Dosis Viagra verabreichen würde.
Dazu ist es – noch – nicht gekommen. Der Angeklagte plädierte nicht auf schuldig, ein entsprechender Durchsuchungsbefehl wurde erlassen, aber die Richterin gestattete ihm, vor dessen Vollstreckung den Bundesstaat zu verlassen, um seine Familie zu besuchen. Die Washington Post zitiert den beigeordneten gesetzlichen Interessenvertreter des Angeklagten mit den Worten: "Sie [die Strafverfolgungsbehörden] berufen sich auf eine Vorschrift, die geschaffen wurde, um Kinder vor sexueller Ausbeutung zu schützen, um ein sexuell explizites Foto dieses jungen Mannes aufzunehmen. Die Ironie ist unglaublich."
Tatsächlich ringt man angesichts des Vorgehens der Polizei nach Worten. Was den Beamten bei ihrer Abstimmung durch den Kopf gegangen sein könnten, ist an anderer Stelle in einem fiktiven Dialog sehr treffend und humorvoll nachgestellt.
cvl/LTO-Redaktion
Beweisaufnahme nach Sexting: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12529 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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