Mit der EU-Entwaldungsverordnung kommen weitreichende Pflichten auf Unternehmen zu. Daniel Weiß und Felicitas Sussmann erwarten erhebliche Herausforderungen bei der Umsetzung.
Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) soll sicherstellen, dass bestimmte Rohstoffe entwaldungsfrei und unter Beachtung lokaler Rechtsvorschriften gewonnen wurden. Sie ist ein zentraler Bestandteil des europäischen Green Deals. Mit ihr will die EU ihren Beitrag zur Entwaldung und Waldschädigung und damit auch zu Treibhausgasemissionen und dem Verlust biologischer Vielfalt weltweit so gering wie möglich halten.
In Deutschland erfährt das bereits am 29. Juni 2023 in Kraft getretene Regelwerk bisher wenig Beachtung. Angesichts des erheblichen Umsetzungsaufwands und ungeklärter Fragen ist trotz der absehbaren Verschiebung des Geltungsbeginns eine zeitnahe Befassung ratsam.
Weitreichendere Pflichten als das Lieferkettengesetz
Im Fokus der Verordnung stehen sieben Rohstoffe, die nach Einschätzung der EU oft in Verbindung mit der Abholzung von Wäldern stehen: Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Rind, Kautschuk und Holz. Diese Rohstoffe (und unter deren Verwendung hergestellte Erzeugnisse) sollen nur dann auf dem Unionsmarkt in den Verkehr gebracht, bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden dürfen, wenn diese "entwaldungsfrei" sind. Dafür dürfen die relevanten Rohstoffe nicht auf Flächen erzeugt worden sein, welche nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet, also in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt wurden.
Als unmittelbar geltendes Unionsrecht muss die EUDR (anders als beispielsweise die Europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD) nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Ihr Geltungsbeginn war ursprünglich bereits zum Jahresende vorgesehen. Umso mehr überrascht es, dass die EUDR bislang erst wenig in den Fokus des öffentlichen Diskurses gerückt ist. Denn während der Bundeswirtschaftsminister in Bezug auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) aufgrund anhaltender Kritik aus der Wirtschaft bereits forderte, "die Kettensäge anzuwerfen", sieht die EUDR teilweise sogar deutlich weitreichendere Pflichten vor.
Wirtschaft umfassend betroffen
Voraussichtlich ist eine Vielzahl der in der EU ansässigen Unternehmen von der EUDR betroffen. Eine genauere Abschätzung ist schwierig, da der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung – anders als beispielsweise der des LkSG – nicht an bestimmte Schwellenwerte im Hinblick auf die Arbeitnehmeranzahl gebunden, sondern alle in der Union niedergelassenen juristischen und selbst natürliche Personen umfasst, wenn sie relevante Erzeugnisse (auf Basis der sieben Rohstoffe) auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringen, bereitstellen oder aus der EU ausführen.
Auch an den Umfang der jeweiligen Geschäftstätigkeit gekoppelte Schwellenwerte sind nicht vorgesehen, ebenso wenig wie ein Schwellenvolumen für relevante Rohstoffe oder relevante Erzeugnisse. Letztere sind in Anhang I der Verordnung enumerativ und mit der jeweiligen Zolltarifnummer (HS-Code) aufgeführt und umfassen ein breites Spektrum von Wirtschaftsgütern.
Stand heute stellen sich zahlreiche Einzelfragen, welche auch mit der Auslegungshilfe der von der EU-Kommission veröffentlichten Leitlinien und FAQs nicht abschließend beantwortet werden können. So ist beispielsweise die Beurteilung von Zubehör oder des lediglich unternehmensinternen Gebrauchs relevanter Erzeugnisse unklar. Dies macht es für potenziell betroffene Unternehmen zu einer Herausforderung, überhaupt zu erkennen, ob sie tatsächlich Adressat des Pflichtenprogramms der EUDR sind.
Sorgfaltserklärungen und Geolokalisierung
Dieses Pflichtenprogramm hat es in sich. Im Unterschied zum LkSG müssen betroffene Unternehmen vor der jeweiligen Geschäftstätigkeit elektronische Sorgfaltserklärungen gegenüber der zuständigen Behörde abgeben und damit die Verantwortung für die Konformität der relevanten Erzeugnisse übernehmen. Dabei sieht die EUDR keine mit dem LkSG vergleichbare Abstufung von Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette vor.
Aus dem Katalog der Pflichtangaben sticht besonders die Geolokalisierung hervor. Tatsächlich wird von betroffenen Unternehmen die Angabe von konkreten Breiten- und Längenkoordinatoren gefordert, um die geographische Lage aller Grundstücke zu bestimmen, auf denen relevante Rohstoffe erzeugt wurden. So soll überprüft werden können, ob die geografische Lage mit einer Entwaldung im Zusammenhang steht. Im Ergebnis bedeutet dies, dass betroffene Unternehmen jeden von der EUDR erfassten Rohstoff bis zum Ort seiner Erzeugung zurückverfolgen müssen. Dies dürfte diverse praktische Problemstellungen mit sich bringen und zu einem sehr hohen Aufwand führen, sofern im Einzelfall überhaupt praktikabel.
Das Geschäft mit den relevanten Erzeugnissen ist nur dann zulässig, wenn die Unternehmen zuvor erklären, dass sie im Rahmen der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten kein oder lediglich ein vernachlässigbares Risiko im Hinblick auf ihre Nichtkonformität festgestellt haben. Beachtlich ist hier, dass sich eine Nichtkonformität auch daraus ergeben kann, dass diese nicht gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden.
Der von der EUDR vorgesehene Rahmen der einschlägigen Rechtsvorschriften ist denkbar weit und unbestimmt. Er umfasst neben lokalen gesetzlichen Bestimmungen auch völkerrechtlich geschützte Menschenrechte sowie den Grundsatz der freiwilligen und in Kenntnis der Sachlage erteilten vorherigen Zustimmung indigener Völker. Eine derart weite Pflicht wirft neben rechtsstaatlichen Bedenken diverse Fragestellungen zur praktischen Durchführbarkeit für die betroffenen Unternehmen auf.
Sanktionen und Reputationsschäden
In Deutschland soll die Überwachung der Pflichten aus der EUDR der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zufallen. Sie wird mit scharfen Sanktionsbefugnissen ausgestattet sein, wobei das noch ausstehende deutsche Durchführungsgesetz Regelungen zur nationalen Ausgestaltung der Sanktionen enthalten wird. So sieht die EUDR insbesondere Geldbußen von vier Prozent des unionsweiten Nettojahresumsatzes, die Einziehung der aus der Transaktion erzielten Einnahmen, den vorübergehenden Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren sowie das vorübergehende Verbot der jeweiligen Geschäftstätigkeit vor. Auf Unionsebene drohen weitere Nachteile. Die EU-Kommission wird eine Liste mit Akteuren unter Angabe der Verstöße und der verhängten Sanktionen veröffentlichen, sodass erhebliche Reputationsschäden zu befürchten sind.
Am 16. Oktober 2024 hat der Rat der Europäischen Union dem Vorschlag der Kommission zugestimmt, den Geltungsbeginn der EUDR um ein Jahr zu verschieben. Das EU-Parlament hat ein entsprechendes Eilverfahren gebilligt, die Abstimmung ist am 14. November 2024 vorgesehen. Sofern – wie zu erwarten – auch das EU-Parlament zustimmt, werden die sich aus der Verordnung ergebenden Pflichten ab dem 30. Dezember 2025 gelten, für Klein- und Kleinstunternehmen ab dem 30. Juni 2026. Bis dahin soll insbesondere auch die Länder-Benchmarking-Liste der EU-Kommission vorliegen, die der abstrakten Risikoeinstufung dienen soll. Trotz Aufschub bedeutet das nicht viel Zeit, um die Voraussetzungen für eine praxistaugliche Umsetzung zu schaffen.
Dr. Daniel Weiß ist Partner bei Hengeler Mueller. Er berät in den Bereichen Internal Investigations, Compliance und Krisenmanagement. Zu seinen Schwerpunkten gehört unter anderem die strategische Beratung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern in herausfordernden Situationen.
Felicitas Sussmann ist Senior Associate bei Hengeler Mueller. Sie ist in den Bereichen Internal Investigations und Compliance tätig. Zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten gehört die Beratung zu ESG-Themen.
EU-Parlament stimmt über Verschiebung der EUDR ab: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55787 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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